Der neue § 115 f SGB V – Risiken und Nebenwirkungen der „Speziellen sektorengleichen Vergütung“

  • Dr. Roland Flasbarth

    Der Autor ist Fachanwalt für Medizinrecht und seit 2007 als Rechtsanwalt bei der Rechtsanwaltskanzlei SOH tätig.

Abstract: Der Beitrag beleuchtet die neu eingeführte Norm des § 115 f SG V, mit dem der Gesetzgeber in mehrfacher Hinsicht Neuland in der Regelversorgung betritt. Namentlich die vertragsärztlichen Leistungserbringer erhalten die Möglichkeit, komplexe stationäre Leistungen zu erbringen und müssen diese für ihre Patienten vorhalten. Die dazu vorgesehenen Umsetzungsfristen für die Selbstverwaltung sind abgelaufen. Ungewöhnlich ist weiter, dass der Gesetzgeber für diesen Fall eine unmittelbare Ersatzvornahme durch das Bundesministerium vorgesehen hat.

A.           Einführung

Mit viel Mühe haben sich GKV-Spitzenverband und Kassenärztliche Bundesvereinigung im Herbst vergangenen Jahres auf eine Förderung des ambulanten Operierens verständigt. Neben der Aufwertung von Eingriffen höherer und Abwertung von solchen niedrigeren Schwierigkeitsgeraden ist unter anderem ein postoperativer Überwachungskomplex eingeführt worden, der eine Nachbetreuung von bis zu 16 Stunden ermöglicht (EBM Ziffern 31507 und 31530[1]). Die Überraschung über diese Ausweitung der ambulanten Gebührenordnung in die annähernd stationäre Sphäre war kaum verklungen, als der Gesundheitsausschuss die Einführung der speziellen sektorengleichen Vergütung gem. § 115f SGB V empfahl[2]. Die Norm verspricht die gleiche Vergütung unabhängig davon, ob die Leistung ambulant oder stationär erbracht wird. Der von der Regierungskoalition in den Gesundheitsausschuss eingebrachte Empfehlung hat den kurzen weiteren parlamentarischen Gang unverändert überstanden und ist Gesetz geworden. Die Neuregelung ist mit „Spezielle sektorengleiche Vergütung“ überschrieben. Dabei handelt es sich eher um eine Untertreibung: Die Gesetzesänderung verwirklicht nicht nur eine einheitliche Vergütung für den ambulanten wie den stationären Sektor, sondern darüber hinaus die Ausdehnung der Leistungsmöglichkeit in sektorenfremden Gefilden, erlaubt also Leistungserbringern aus beiden Sektoren die Leistung jeweils abzurechnen, unabhängig davon, ob sie stationär oder ambulant erbracht wurde. Für Leistungserbringer aus dem ambulanten Bereich ist dies die erstmalige im Gesetz angelegte Norm, die die Erbringung stationärer Leistungen ermöglicht.

B.            Normzweck

Ausweislich der Begründung ist es Ziel der Norm, im internationalen Vergleich identifiziertes Ambulantisierungspotenzial zu heben. Dazu möchte der Gesetzgeber die Vergütung als Werkzeug nutzen. Er erwartet von der von ihm vorgeschlagenen Vergütung in der Höhe zwischen stationärem und ambulanten Niveau[3] – ohne dies so deutlich auszusprechen –, dass Krankenhäuser Interesse an einer vollstationären Leistungserbringung dieser Leistungen verlieren. Die Vergütung der Leistungen soll für die ambulante Variante der Behandlung aus Krankenhaussicht attraktiver und für die stationäre Variante unattraktiver werden[4]. Für Vertragsärzte werden die Leistungen höher bewertet. Sie sollen diese selbst erbringen und so aus der klassischen stationären Versorgung heraushalten. Dass dadurch angebotsinduzierte Nachfrage entstehen könnte, also zunehmend die Operationen von Vertragsärzten mit ihren Patienten vereinbart werden, sieht der Gesetzgeber. Er hofft, durch die sorgsame Auswahl der in die spezielle sektorengleiche Vergütung einzubeziehenden Leistungen ausreichend vorsorgen zu können, um dieses Risiko ebenso wie Mitnahmeeffekte einzugrenzen. Wirtschaftlichkeitsreserven oder Einsparpotenziale betont der Gesetzgeber nicht, verspricht sich von der ambulanten Leistungserbringung aber Entlastung der Pflege bei gleichbleibender Qualität für die Patientinnen und Patienten[5].

C.           Normstruktur

§ 115f SGB V gliedert sich in fünf Absätze: In Abs. 1 wird den Vertragsparteien nach § 115b SGB V aufgegeben, die einheitliche Vergütung zu vereinbaren. Erfasst werden sollen nur Leistungen, die bereits im Vertrag nach § 115b SGB V genannt sind. Der Gesetzgeber grenzt weiter die Höhe der Vergütung ein und gibt den Vertragsparteien vor, dass die Höhe der Vergütung spätestens ab dem Kalenderjahr 2026 nach tatsächlichen Kosten zu vereinbaren ist. Abs. 2 schränkt die Leistungen weiter ein, die adressiert werden sollen. Er schreibt weiter vor, dass diese hinsichtlich ihrer Komplexität ggf. in Stufen einzuteilen sind. Eine Evaluation und ggf. Anpassung der ausgewählten Leistungen soll erstmals spätestens mit Wirkung zum 31. März 2025 erfolgen. Abs. 3 zählt die Leistungserbringer, die die Leistungen nach § 115f SGB V erbringen und abrechnen dürfen, enumerativ auf. Adressat sind danach die ambulanten und stationären Leistungserbringer, die die Leistungen unmittelbar gegenüber den Krankenkassen abrechnen können und sollen. Die jeweiligen Abrechnungsformate sowie die Abrechnungsprüfung werden vorgegeben. Abs. 4 sieht vor, dass für die von den Selbstverwaltungspartnern zu konkretisierenden Inhalte eine Ersatzvornahme im Wege einer Rechtsverordnung durch das Bundesministerium für Gesundheit erfolgen kann. Die zu konkretisierenden Inhalte sind die einzubeziehenden Leistungen und deren Vergütung oder die Anpassung dieser Kataloge. Die Ersatzvornahme ist zulässig, soweit die Inhalte jeweils nicht  fristgerecht vereinbart oder angepasst werden. Die vom Gesetzgeber für die erstmalige Vereinbarung der Kataloge und deren Vergütung vorgesehene Frist ist bereits am 31. März 2023 abgelaufen. Eine Ersatzvornahme steht danach unmittelbar bevor, soweit das Bundesministerium für Gesundheit sich nicht die Blöße geben möchte, länger zu benötigen, als es den Selbstverwaltungspartnern als Zeitraum vorgegeben war. Abs. 5 legt fest, dass die Auswirkungen der Neuregelung insgesamt alle 18 Monate durch die Vertragsparteien gem. § 115b Abs.1 SGB V zu evaluieren und dem Bundesministerium für Gesundheit erstmals zum 1. April 2024 zu berichten sind.

D.           Vergütungshöhe

Etwas unorthodox bestimmt § 115f Abs. 1 Nr. 1 SGB V, dass eine einheitliche Vergütung für Leistungen vorzusehen ist, noch bevor § 115f Abs. 1 Nr. 2 SGB V die Leistungen näher umschreibt, für die die Vergütung gedacht ist. Diese Nr. 2 verweist als Grundlage auf den Katalog der Leistungen des ambulanten Operierens gem. § 115b SGB V, aus dem sich der Kreis der Leistungen rekrutieren soll, der in den neuen Bereich der speziellen sektorengleichen Vergütung einbezogen werden kann. Bislang sind diese Leistungen von den Vertragsärzten stets ambulant und von den Krankenhäusern ambulant oder – soweit die medizinische Notwendigkeit vorlag – stationär erbracht worden. Für die vorgesehene einheitliche Vergütung lägen verschiedene Möglichkeit der Gestaltung der Vergütungshöhe nahe. Der Gesetzgeber hat sich für einen „modifizierten Dreisatz“ entschieden. Der Wortlaut des § 115f Abs.1 SGB V spricht zunächst dafür, dass ein klassischer Dreisatz durchzuführen ist: Die Summe der Vergütungen für stationär und ambulant erbrachte Leistungen bildet für die jeweilige Leistung den zur Verfügung stehenden Vergütungstopf, der dann durch die Gesamtzahl der erbrachten Leistungen zu dividieren ist. Eine Abstufung soll anhand von Schweregraden erfolgen, was aus der ambulanten Versorgung – dort zumeist differenziert nach Altersstufen – ebenso bekannt ist wie aus der stationären Versorgung. Entgegen der zunächst in dem allgemeinen Teil der Gesetzesbegründung vermissten Hinweise auf die sonst gern zitierten Wirtschaftlichkeitsreserven spricht der Gesetzgeber im konkreten Teil der Begründung davon, dass das Wegfallen der stationären Ressourcen bei der Vergütung berücksichtigt werden kann[6]. Der Wert des Dreisatzes ist danach, um eine fiktive Zahl der Fälle zu korrigieren, die statt mit dem stationären mit dem ambulanten Wert anzusetzen sind. Hinsichtlich dieses Wertes besteht im Rahmen der Ersatzvornahme sicherlich nur eingeschränkt überprüfbarer Spielraum für die Verwaltung. Danach ist es konsequent, dass der Gesetzgeber die zeitnahe Evaluation der gefundenen Ergebnisse angeordnet hat.

Eine Differenzierung soll nur noch nach Schweregrad erfolgen, wobei der Gesetzgeber eine mehrstündige postoperative Überwachung bereits als komplexeren Vorgang einordnet hat und von leichten Fällen abgrenzen möchte[7]. Eine Übernachtungsnotwendigkeit wird innerhalb der Pauschale nicht gesondert berücksichtigt. Daraus schließt der Gesetzgeber in der Begründung, dass der sozial bedingte Aufenthalt nach der Operation „unschädlich“ ist, also keine nachteilige Konsequenz für den Leistungserbringer hinsichtlich der Vergütungshöhe für die erbrachte Leistung hat[8].

Es sollen nach der Gesetzesbegründung der Gesamtaufwand der bisherigen Leistungserbringung einbezogen werden. Für die vertragsärztliche Versorgung bedeutet dies, dass jedenfalls die anästhesiologischen Leistungen ebenfalls mit in die Pauschalvergütung einzubeziehen und sodann vom Anästhesiologen gegenüber dem Operateur abzurechnen sind, soweit nicht eine Aufteilung der Pauschale bereits in der Vergütungsvereinbarung vorgesehen wird. Die Aufteilung auf zwei Leistungserbringer innerhalb der Vergütungsvereinbarung erscheint zumindest vergleichsweise einfach und beeinträchtigt nicht die gesetzliche Vorgabe an die pauschalierte Auszahlung der Vergütung.

Die pauschaliert erfolgende Vergütung erfasst die für die Behandlung klassisch im Krankenhaus erfolgenden Schritte. Das ist zwar nicht ausdrücklich geregelt, wird aber aus der Zusammenschau von Gesetzesbegründung und der Systematik der Vergütungsregelung deutlich. Eine Abrechnung für die Leistungen außerhalb der speziellen sektorengleichen Vergütung ist zumindest in der Gesetzesbegründung ausdrücklich ausgeschlossen. Auf der anderen Seite soll die Vergütung über die bloße ambulante Leistungserbringung hinausgehen und insbesondere alle Krankenhausleistungen analog einer DRG-Pauschale abbilden. Dies bedeutet, dass die die eigentliche stationäre Leistung substituierenden Tätigkeiten insgesamt von der Pauschale abgedeckt sind und nicht separat etwa nach EBM abgerechnet werden können. Als Grenze der einbezogenen Leistungen ist nach der Gesetzesbegründung ein Zeitraum von drei Tagen poststationär anzusehen. Nur solche Leistungen sollen in den Katalog der speziellen sektorengleichen Vergütung aufgenommen werden, die eine Aufenthaltsdauer von bis zu drei Tagen aufweisen. Eine Einbeziehung von Leistungen in die Pauschale über diesen OP-Tag und die zwei postoperativen Tage hinaus ist danach nicht zu rechtfertigen. Die vertragsärztlichen Leistungen der Regelversorgung bleiben allerdings auch in diesem Zeitraum abrechenbar, soweit sie nicht unmittelbar mit der erbrachten Leistung zusammenhängen. Soweit sie im stationären Krankenhaus üblicherweise „im Preis enthalten“ erbracht werden, kann dies zu einer moderaten Erhöhung des Leistungsaufwands im ambulanten Bereich führen. Mehrkosten dürften durch die beschränkte Gesamtvergütung dadurch auf Kostenträgerseite zunächst nicht entstehen. Einzubeziehen sind aber alle Folgeleistungen der Operation, die durch das Krankenhaus typischerweise erbracht werden. Erfolgt nach der zunächst ambulanten Operation tatsächlich noch eine stationäre Aufnahme, ist diese Leistung mit abgegolten und ggf. von dem vertragsärztlichen Leistungserbringer zu vergüten bzw. von dessen Vergütung abzuziehen, soweit die Aufnahme im Anschluss an die zunächst ambulant geplante Operation erfolgt und nicht aufgrund einer anderweitigen oder unvorhersehbaren Erkrankung erfolgt.

Ab dem Kalenderjahr 2026 soll die Vergütung nach § 115f Abs. 1 S. 5 SGB V anhand der tatsächlich entstehenden Kosten kalkuliert werden. Die bislang dazu von den stationären Leistungserbringern bekannten Daten reichen nach Auffassung des Gesetzgebers nicht aus. Für die ambulanten Leistungserbringer sollen vergleichbare Daten erhoben werden. Die so gewonnenen Daten sollen die Grundlage der zukünftig zu vereinbarenden Vergütung auf Kostenbasis bilden. Eine Abkehr von der pauschalisierenden Vergütung ist damit aber nicht vorgesehen. Das wohl vom Bundesministerium für Gesundheit derzeit verfolgte Ziel der Abkehr von DRGs wird für die sektorengleiche Vergütung nur teilweise umgesetzt, in dem die Verweildauer insgesamt unberücksichtigt bleibt. Ansonsten bleibt es bei einer nach Komplexität differenzierten Pauschalvergütung.

E.            Auswahl der Leistungen

Die auszuwählenden Leistungen, für die die spezielle sektorengleiche Vergütung vorzusehen ist, werden in § 115f Abs. 2 SGB V weiter eingegrenzt. Ausgangspunkt ist die Verweisung auf den Katalog der Leistungen gem. § 115b Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Daran anknüpfend gibt der Gesetzgeber weitere Eingrenzungskriterien vor. Alle zwei Jahre sollen die vereinbarten Leistungen sodann überprüft werden.

I.              Wirkung der Verweisung auf § 115b Abs. 1 SGB V

Grundlage bildet zunächst die Vereinbarung nach § 115b Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Dies ist denklogisch konsequent, da in den Katalog nach § 115b Abs. 1 Nr. 1 SGB V Leistungen aufzunehmen sind, für die durch die Vertragsparteien gem. § 115b SGB V die Möglichkeit zur ambulanten Erbringung gesehen worden ist, die aber aus dem stationären Umfeld stammen. Die Verweisung auf den Vertrag ist systematisch dynamisch, da bereits der Gesetzgeber den Katalog nach § 115a Abs. 1 SGB V einer zweijährigen Anpassungsnotwendigkeit unterworfen hat. Nur bei einer dem Wortlaut nach ausdrücklich statischen Verweisung wäre danach davon auszugehen, dass Änderungen im Katalog nach § 115b SGB V nicht relevant sind. Ein Einfrieren des Katalogs auf den Stand zum Zeitpunkt der Einführung des Gesetzes oder einer Vereinbarung nach § 115f Abs. 1 SGB V erfolgt also zumindest durch den Gesetzgeber nicht und dürfte danach auch den Vertragsparteien nur zeitlich befristet möglich sein. Kommen also Leistungen im Katalog nach § 115b Abs. 1 Nr. 1 SGB V neu hinzu, wird davon auszugehen sein, dass die Leistungen in ihrem Gehalt für den Katalog nach § 115f SGB V zu bewerten sind. Erfolgt dies nicht positiv oder negativ, wäre wiederum die Ersatzvornahme nach § 115f Abs. 2 SGB V möglich, könnte also der Gesetzgeber nach Ablauf des Zeitraums von zwei Jahren nach der letzten Änderung oder Ersatzvornahme selbst ggf. die neuen Leistungen des § 115b SGB V auch in den Anwendungsbereich des § 115f Abs. 1 Nr. 2 SGB V durch Ersatzvornahme aufnehmen. Den gleichen Zweck wie die Vereinbarung nach § 115b Abs. 1 Nr. 1 SGB V erfüllt eine Entscheidung des Schiedsgremiums nach § 115b Abs. 4 SGB V. Zwar ergibt sich dies nicht aus dem Wortlaut der Norm, allerdings wird den Entscheidungen des Schiedsgremiums auch sonst den Vertrag ersetzender Charakter zugebilligt[9] und zeigt die Einführung der Möglichkeit zur Ersatzvornahme den Wunsch des Gesetzgebers, den neuen Ansatz zeitnah zu effektivieren. Dieses Ziel würde nicht erreicht werden können, wenn eine Entscheidung des Schiedsgremiums als Grundlage für den Katalog nach § 115f Abs. 1 Nr. 2 SGB V nicht ersatzweise herhalten könnte.

Dies führt zu der etwas hybriden Situation, dass zwar im Ausgangspunkt – dem Katalog nach § 115b Abs. 1 Nr. 1 SGB V – die Selbstverwaltung und im Streitfall das Schiedsgremium noch entscheiden kann, in der Konkretisierung nach § 115f Abs. 1 Nr. 2 SGB V aber stets die Ersatzvornahme „droht“. Auf der anderen Seite kann das „Einfallstor“ der Krankenhäuser in den ambulanten Markt zugleich für eben diese Krankenhäuser dadurch zu einem zweischneidigen Schwert werden, dass sie auf der einen Seite die Leistungen zwar dann zukünftig (auch) ambulant erbringen dürfen, auf der anderen Seite aber immer von einer speziellen sektorengleichen Vergütung ausgehen müssen und damit einer verstärkten „Selbsterbringung“ der Leistungen durch die vertragsärztlichen Leistungserbringer und einer niedrigeren Vergütung für die stationär verbleibenden Fälle. Neu in den Katalog nach § 115b Abs. 1 Nr. 1 SGB V aufgenommene Leistungen werden immer insbesondere das Kriterium erfüllen, dass sie zumindest in der prozentualen Verteilung (noch) einen deutlichen Schwerpunkt im stationären Bereich ausweisen und sich daher für die Übernahme in die spezielle sektorengleiche Vergütung besonders eignen.

Die Norm setzt aber nicht voraus, dass der Katalog nach § 115b SGB V wirksam, ungekündigt oder noch innerhalb der in § 115b SGB V vorgesehenen Laufzeit besteht. Zweck des Anknüpfens ist das Zugreifen auf einen Katalog von Leistungen, die jedenfalls ambulant erbracht werden können. Das wird durch die erstmalige Wirksamkeit einer Vereinbarung nach § 115b Abs. 1 SGB V oder einer Entscheidung des Schiedsgremiums bestätigt. Ein Auslaufen der Vereinbarung oder dessen Kündigung ändert daran nichts und beeinträchtigt demnach die Wirksamkeit einer Vereinbarung nach § 115f Abs. 1 SGB V, dessen Ersatzvornahme oder die Erbringungs- und Vergütungsfähigkeit der Leistungen durch die Leistungserbringer nicht.

II.           Konkretisierung der Leistungsauswahl durch § 115f Abs. 2 SGB V

Die Konkretisierung der Leistungen, die nach § 115f Abs. 2 SGB V aus dem Katalog nach § 115b Abs. 1 Nr. 1 SGB V für die spezielle sektorengleiche Vergütung auszuwählen sind, soll sich maßgeblich anhand der Zahl der noch im Krankenhaus erbrachten Leistungen orientieren. Dies kann sich sowohl aus einer prozentual hohen Zahl oder einer absolut hohen Zahl ergeben, soweit jeweils das Ambulantisierungspotenzial identifizierbar ist. Daneben sollen maßgeblich – der Katalog ist nicht abschließend – kurze Aufenthaltsdauern (von drei Tagen oder weniger[10]) und ein geringer Komplexitätsgrad Leistungen für eine Aufnahme in den Katalog nach § 115f SGB V qualifizieren. Das liegt nahe, da diese Kriterien dafür sprechen, dass Ambulantisierungspotenzial bei diesen Leistungen vorhanden ist. Die Konkretisierung des § 115f Abs. 2 SGB V macht deutlich, dass es nicht darum geht, den gesamten Katalog nach § 115b Abs. 1 Nr. 2 SGB V in die sektorengleiche Vergütung zu übernehmen. Entsprechend weist die Gesetzesbegründung darauf hin, dass es nur um die Leistungen geht, die „besonders“ für weitere Ambulantisierungen geeignet sind. Neben den bereits in der allgemeinen Begründung aufgeführten Ausschlusskriterien der Anfälligkeit für Mengenausweitungen bzw. Missbrauch nennt das Gesetz medizinische Gründe als weiteres Ausschlusskriterium[11]. Dies ergibt sich allerdings ohnehin denklogisch daraus, dass eine Leistung, die aus medizinischen Gründen nicht ambulant erbringbar ist, kein Ambulantisierungspotenzial aufweist.

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Vorgaben Spielraum lassen, um sowohl einen sehr breiten Leistungskatalog als auch einen sehr engen Katalog vorzusehen. Die sehr engen und ausdifferenzierten Evaluierungsvorgaben sprechen allerdings dafür, dass der Gesetzgeber zunächst eine intensive Anwendung von der Regelung zum Ziel hatte. Nur dann sind Effekte tatsächlich messbar und der Leistungskatalog angemessen und zeitnah nachzuschärfen. Beinahe erwartungsgemäß ist dies den Selbstverwaltungsparteien nicht nur nicht gelungen, sondern im Anschluss an die gescheiterten Einigungsbemühungen hat dem Vernehmen nach die Krankenhausseite dem Bundesministerium bislang keine Leistungen benannt, die in den Katalog aufgenommen werden könnten. Dies setzt die stets schwierigen Verständigungen an den Sektorengrenzen im Anschluss an die sehr zurückhaltenden Positionierungen namentlich von Ärzteseite in den Diskussionen um § 115b SGB V fort. Es ist deshalb konsequent und angemessen, dass der Gesetzgeber statt der bisherigen Schiedslösung eine Ersatzvornahme an dieser Entscheidung über Sektorengrenzen hinaus als effektivere Lösung favorisiert. Diese muss sich nunmehr allerdings als solche noch beweisen.

F.            Beteiligte Leistungserbringer

Zur Leistungserbringung berechtigt sind zugelassene Krankenhäuser im Sinne des § 108 SGB V und zur ambulanten Leistungserbringung zugelassene Leistungserbringer. Das ist zunächst konsequent in Bezug auf das Ziel, gerade beide Sektoren einzubeziehen. Anders als bei den weiteren Normen des vierten Abschnitts im vierten Kapitel des SGB V (§§ 115- 123 SGB V) werden in der Norm allerdings nicht nur den Krankenhäusern ambulante Leistungen ermöglicht, sondern der Gesetzgeber ermöglicht ergänzend vertragsärztlichen Leistungserbringern die Durchführung und Abrechnung von stationären Leistungen.

I.              Stationär

Hinsichtlich der Krankenhausleistungen entspricht die Regelung der für ambulante Leistungen eines Krankenhauses typischen Zuschnitts. Die Legitimation zur ambulanten Leistungserbringung der Leistungen der sektorengleichen Vergütung ergibt sich bereits aus der Aufnahme in den Katalog des § 115b Abs. 1 Nr. 2 SGB V. Die Möglichkeit zur stationären Leistungserbringung besteht ohnehin bereits aufgrund des Zulassungsstatus.

II.           Ambulant

Für die ambulanten Leistungserbringer ist die ambulante Leistungserbringung ohnehin unproblematisch. Die Neuregelung ermöglicht aber erstmals zusätzlich die Erbringung stationärer Leistungen. Bislang war es gleichbedeutend mit einem vollständigen Vergütungsverlust, wenn die Patienten im Anschluss an eine (ambulante) Operation noch stationäre Leistungen durch den vertragsärztlichen Leistungserbringer in Anspruch genommen haben, wie auch immer diese Übernachtung zur Legitimation des eigenen Handelns tituliert wurde. Eine Vergütung der Leistungen wurde auch unter kondiktionsrechtlichen Gesichtspunkten mit dem Hinweis auf die Steuerbarkeit des Systems berechtigt verweigert.[12] Für die im Katalog der Leistungen nach § 115f Abs. 1 SGB V aufgenommenen Leistungen gilt dies nicht mehr. Die Gesetzesbegründung geht darüber hinaus und sieht neben den zu erwartenden medizinischen Versorgungszentren insbesondere Praxiskliniken und ambulante Operationszentren auch als potenzielle Leistungserbringer an.[13] Da weder ambulante Operationszentren noch Praxiskliniken über einen originär eigenen Zulassungsstatus verfügen, dürfte damit gemeint sein, dass sich die gem. § 95 SGB V zugelassenen Leistungserbringer der vertragsärztlichen Versorgung die Leistungen hinzukaufen, die für die ggf. auch aus sozialen Gründen erforderliche längere Aufenthaltsdauer erforderlich ist. Ist eine Übernachtung erforderlich, gehört dazu zwingend eine Organisationsstruktur, die eine Erlaubnis gem. § 30 GewO verfügbar hat. Nur dann dürfen Patienten stationär aufgenommen werden.

Neben den dadurch zusätzlich für den vertragsärztlichen Leistungserbringer zu übernehmenden Hotel- und Pflegeleistungen für den Patienten tritt die Anästhesieleistung. Diese wird der originäre Leistungserbringer ebenso übernehmen und beschaffen müssen, wie die kurzfristig im Rahmen der möglichen Übernachtung erforderlichen weiteren Arznei-, Heil- und Hilfsmittel bzw. Verbandmittel. Für den vertragsärztlichen Leistungserbringer ergibt sich daraus erstmals eine Komplexleistung im Bereich der Regelversorgung. Diese Komplexleistungen waren bisher Vereinbarungen im Rahmen der integrierten bzw. besonderen Versorgung (§§ 140a ff SGB V) vorbehalten. Aus den Erfahrungen in diesen Bereichen ist allerdings ersichtlich, dass namentlich bei den Operationen die vertragsärztlichen Leistungserbringer in der Lage sind, die damit verbundenen Aufgaben zu bewältigen.

G.           Kostenträger

Abzurechnen sind die erbrachten Leistungen unmittelbar gegenüber den Krankenkassen der Versicherten (§ 115f Abs. 3 S. 2 SGB V). Wie auch im Rahmen des § 116b Abs. 2 SGB V kann der Vertragsarzt die Leistungen von der Kassenärztlichen Vereinigung gegenüber den Krankenkassen abrechnen lassen. Soweit Leistungen betroffen sind, die nicht ohnehin außerhalb der morbiditätsorientierten Gesamtvergütung ausgezahlt werden[14], wären diese aus der vertragsärztlichen Gesamtvergütung auszugliedern.

H.           Risiken und Nebenwirkungen

Die Neuregelung lässt danach für die stationäre Versorgung im Kern nur eine reduzierte Vergütung als bemerkenswert erkennen. Ob dies zu einer zunehmenden Ambulantisierung führt, ist abzuwarten und wird maßgeblich durch den Leistungskatalog beeinflusst werden. Für den ambulanten Bereich ist die Leistungserbringung in zweifacher Hinsicht bemerkenswert: Es wird vertragsärztlichen Leistungserbringern eine stationäre Leistungserbringung innerhalb der Regelversorgung ermöglicht und sie haben die umfassende Notwendigkeit, die dadurch komplexer werdenden Leistungen für den Patienten zu organisieren und zu erbringen.

I.              Bedarfsplanung

Durch die Einbeziehung von ambulanten Leistungserbringern in das stationäre Versorgungsumfeld stellt sich die derzeit ohnehin intensiv diskutierte Frage nach der Reichweite der Bundeskompetenz im Bereich der Krankenhausplanung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a GG) bzw. der sozialen Sicherung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG). Selbst nach der eher die Landeskompetenz protegierenden Auffassungen erscheint hier allerdings der Kompetenzbereich gewahrt. Ziel der Regelung ist letztlich kein Eingriff in die Krankenhausversorgung, wie sie im Rahmen der Krankenhausplanung diskutiert wird, sondern die Entlastung der Krankenhäuser – namentlich der Krankenhauspflege – von stationären Fällen.

II.           Korruptionsdebatte

Mit am intensivsten ist in der Literatur bislang die Situation diskutiert worden, bei denen vertragsärztliche Leistungserbringer eigene Patienten in Krankenhäusern operieren.[15] Für Leistungen aus dem Bereich der speziellen sektorengleichen Vergütung entspannt sich diese Diskussion. Der Vertragsarzt kann diese Leistungen nunmehr alternativ mit Unterstützung von Praxiskliniken oder Privatkliniken erbringen, so dass der Vertragsschluss an sich nicht mehr allein den Tatbestand erfüllen kann. Lediglich die Höhe der Vergütung muss so bemessen sein, dass sie kaufmännisch rationalen Gesichtspunkten genügt.

I.              Ausblick

Festzuhalten bleibt, dass die Norm erstmals Durchlässigkeit an der Sektorengrenze in der Regelversorgung für vertragsärztliche Leistungserbringer schafft. Es war zu erwarten, dass dies auf wenig Gegenliebe bei den betroffenen Selbstverwaltungspartnern stößt und zu Friktionen beim Abschluss der notwendigen Vereinbarungen führt. Es ist sicherlich richtig, dass der Gesetzgeber dies zum Anlass genommen hat, eine Ersatzvornahme statt der sonst üblichen Schiedsgremiumsverfahren als effektiveres Mittel zu wählen. Es bleibt spannend, ob nach Ablauf der Fristen nunmehr die bemerkenswerte Neuregelung durch die Ersatzvornahme zum Leben erweckt wird und ob sie tatsächlich einen nennenswerten Anwendungsbereich erfährt. Nur dann wäre sie wohl in der Lage, die gewünschten Ziele zu erreichen. Für die vertragsärztlichen Leistungserbringer bedeutet die Regelung eine Ausweitung ihrer Leistungsverpflichtung gegenüber den Patienten, wie sie bislang nur aus der integrierten bzw. besonderen Versorgung bekannt war. Die daraus erwachsene Übung in der Organisation auch komplexerer Patientenversorgungen lässt hoffen, dass sie der neuen Aufgabe gerecht werden können.

DOI: 10.13154/294-9885

ISSN: 2940-3170

[1] Vgl. DÄBl.2022, A 2320.

[2] BT-Drs.: 20/4708, S. 17, 18

[3] BT-Drs.: 20/4708, S. 17, 18.

[4] Gerling, in: Beck-Onlinekommentar Krankenhausrecht, SGB V, § 115f Rdnr. 2, Stand 01.02.2023.

[5]  BT-Drs.: 20/4708, S. 17, 18.

[6] BT-Drs.: 20/4708, S. 100.

[7] BT-Drs.: 20/4708, S. 100.

[8] BT-Drs.: 20/4708, S. 100 – das ergibt sich aus der Wortwahl der Gesetzgebung.

[9] Hess, in: Beck-Online GK (Kasseler Kommentar), Rolfs (geschf.)/Körner/Krasney/Mutschler, § 89a Rdnr. 14.

[10] Gerling, in: Beck-Onlinekommentar Krankenhausrecht, SGB V, § 115f Rdnr. 8, Stand 01.02.2023 mit Verweis auf die Gesetzesbegründung.

[11] BT-Drs.: 20/4708, S. 101.

[12] BSG, Urt. v. 04.09.2004 – B 6 KA 14/03 R – juris Rdnr 23.

[13] BT-Drs.: 20/4708, S. 101.

[14] Zur Rechtslage im vertragsärztlichen Bereich vgl. BSG, Urt. v. 29.11.2017 – B 6 KA 41/16 R – juris Rdnr 18, 19.

[15] Siehe dazu die zahlreichen Fundstellen bei Schuhr, in: Spickhoff, Medizinrecht, 4. Auflage 2022, § 299a StGB, Rdnr. 34.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Die folgenden im Rahmen der DSGVO notwendigen Bedingungen müssen gelesen und akzeptiert werden:
Durch Abschicken des Formulares wird dein Name, E-Mail-Adresse und eingegebene Text in der Datenbank gespeichert. Für weitere Informationen wirf bitte einen Blick in die Datenschutzerklärung.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.