Die Samenspende ist in Deutschland erlaubt, die Eizellspende verboten. Diese Ungleichbehandlung von Männern und Frauen will heutzutage nicht mehr einleuchten. Das Embryonenschutzgesetz ist mehr als 30 Jahre alt und dringend reformbedürftig. [1] Das Verbot der Eizellspende ist nur eines der anstehenden Probleme – aber ein durchaus medizinisch und lebenspraktisch relevantes. Es gibt nicht wenige Frauen, die schon in frühem Lebensalter nicht mehr in der Lage sind, Eizellen zu produzieren. Das kann angeboren sein, etwa bei Fehlbildungen der Eierstöcke. Manche Frauen kommen vorzeitig in die Wechseljahre, andere haben ihre Eierstöcke wegen einer Krebserkrankung verloren haben. Für alle diese Gruppen kommt unter Umständen infrage, auf gespendete Eizellen zurückzugreifen. Gegenüber einer Adoption hat die Eizellspende den Vorteil, dass der Partner der genetische Vater des Kindes sein kann. Es gibt also bei einem Elternteil noch eine genetische Verbindung zum Kind. Bei lesbischen Paaren könnte die eine Frau der anderen ihre Eizellen spenden und so für beide eine leibliche Verbindung zum Kind ermöglichen.
Im Kommentar zum Embryonenschutzgesetz heißt es, die Eizellspende führe zu „gespaltener Mutterschaft”, weil genetische Mutter und Mutter, die das Kind austrägt und auf die Welt bringt, auseinanderfallen. Diesen Fall wollte der Gesetzgeber verhindern, weil er fürchtete, dass die „gespaltene Mutterschaft” zu Identitätsproblemen beim geborenen Kind führen würde. Zu dieser Zeit hatte man vergleichsweise wenig Erfahrung, wie es Kindern gehen könnte, die auf diese Art und Weise gezeugt werden und aufwachsen. Es gab zwar schon die Samenspende, die wurde allerdings anonym durchgeführt. Die Kinder wurden oft nicht aufgeklärt über die Tatsache, dass sie mittels Samenspende gezeugt wurden. Man glaubte, dass dadurch ein normales Aufwachsen ermöglicht werde. Heute wissen wir, dass es für die Kinder durchaus eine Rolle spielt, und gehen davon aus, dass sie deshalb ein Recht auf Kenntnis der Abstammung haben.
Deshalb fällt es mittlerweile schwer, die Ungleichbehandlung von Mann und Frau zu verstehen.Womöglich lag es daran, dass das Recht „Vater“ sozial definiert. Vater ist der Mann, der mit der Frau verheiratet ist, die ein Kind bekommt. „Mutter“ ist eher biologisch definiert – als die Frau, die das Kind gebiert. Vielleicht haben auch traditionelle Vorstellungen von der engeren Mutter-Kind-Beziehung eine Rolle gespielt.
In späteren Jahren war eher die Sorge ausschlaggebend, dass die Eizellespenderin einem Risiko ausgesetzt wird, das deutlich größer ist als bei der Samenspende. In den 90er und Anfang der 2000er Jahre hat man eine besonders starke hormonelle Stimulation vorgenommen, um eine hohe Ausbeute von Eizellen zu erzielen. Als Folge kam es häufiger zu Wasseransammlung im Bauchraum, die mit Schmerzen im Unterleib einhergehen konnten. Die Beschwerden konnten über Tage anhalten.
Heute weiß man, dass man mit deutlich niedrigeren Hormongaben eine immer noch befriedigende Anzahl an Eizellen gewinnen kann. Es gibt gute wissenschaftliche Studien zu den Nebenwirkungen der Eizellspende aus Ländern, in denen sorgfältig gearbeitet wird, etwa in Spanien. Die Komplikationsraten sind mittlerweile niedrig. Die Sorge, dass Eizellspende mit häufigen gefährlichen Nebenwirkungen einhergeht, konnte ausgeräumt werden. Es gibt eine ganze Reihe von Folgestudien zu Frauen nach Eizellentnahme. Darunter fallen ja alle Frauen, die künstliche Befruchtung in Anspruch genommen haben. Bislang konnten keine Langzeitprobleme infolge der Entnahme festgestellt werden, etwa ein erhöhtes Tumorrisiko durch die Hormongabe. Man weiß auch, dass die Unfruchtbarkeitsrate bei Eizellspenderinnen nicht steigt. [2]
Ein Thema, das Sorge bereitet, ist die Gefahr der Ausbeutung. Spenderinnen können auf verschiedene Weise ausgenutzt werden. Zum einen können sie schlecht informiert sein und nicht wissen, worauf sie sich einlassen. Es kann die Nachsorge bei Komplikationen unzureichend sein. Sie können unangemessen wenig entschädigt werden für das gesundheitliche Restrisiko, das immer besteht. Sie können auf der anderen Seite aber auch durch eine zu hohe Aufwandsentschädigung genötigt werden, etwas zu tun, was sie eigentlich gar nicht wollen, etwa weil sie sich in einer großen finanziellen Not befinden. Das Spektrum reicht also von “zu wenig finanzieller Entschädigung” bis “zu hohem finanziellem Anreiz”. Eine paradoxe Situation. [3]
Eine Studie von Yvonne Frankfurth zeigte, dass den Paaren, die Eizellspende im Ausland in Anspruch nehmen, die mögliche Ausnutzung der Eizellspenderin durchaus Sorge bereitet [in: 3]. Es frustriert sie, dass sie oft wenig über diese Frau und ihre Lage erfahren. Es wird geschätzt, dass es 2000 bis 4000 Paare pro Jahr sind, die auf diesem Weg versuchen, ein Kind zu bekommen. Bevorzugte Ziele für die Eizellspende sind Spanien und Tschechien, einige Frauen bzw. Paare reisen auch nach Großbritannien oder Belgien. Österreich beschreitet im Moment den Weg einer Zulassung der Eizellspende nur auf altruistischer Basis. Es stellt sich aber heraus, dass damit der Bedarf an Eizellen nicht annähernd gedeckt werden kann. Im United Kingdom wurde über lange Zeit eine sehr niedrige Aufwandsentschädigung gezahlt. Dort hat sich gezeigt, dass das kein ausreichender Anreiz für Frauen ist, sich für eine Eizellspende zur Verfügung zu stellen. Deshalb hat man die Summe deutlich erhöht. Bei einer Zulassung der Eizellspende in Deutschland müsste also etwa geregelt sein, was eine faire Aufwandsentschädigung für die beteiligten Spenderinnen wäre. Die ist nicht einfach zu bemessen. Frauen müssen eventuell körperliche Beeinträchtigungen auf sich nehmen, Unwohlsein oder auch – selten – ernstere Nebenwirkungen, vielleicht sogar einen Krankenhausaufenthalt, der dadurch notwendig wird. Neben diesen körperlichen Auswirkungen ist auch der Zeitaufwand zu berücksichtigen, der honoriert werden muss. Bei der Festlegung einer angemessenen Aufwandsentschädigung könnte man sich allerdings an ähnlichen Fällen orientieren. So nehmen etwa gesunde Probanden an Phase-I-Studien teil, um neuartige Wirkstoffe zu testen. Das wird mit 2000 bis 3000 Euro vergütet.
Generell gilt: Bei einer Zulassung in Deutschland könnten diese Fragen transparent geregelt werden, die Interessen der Eizellspenderin könnten beachtet werden. Das käme dem Bedürfnis vieler Paare sehr entgegen, die ihr Kind nicht einer ausbeuterischen Behandlung verdankt sehen wollen. Auch das Recht des Kindes auf Kenntnis der Abstammung könnte man in Deutschland einfacher durchsetzen. Für die Samenspende ist dies bereits erfolgt. Es wäre eine Kleinigkeit, die entsprechende Regelung im Samenspenderregistergesetz um die Eizellspende zu erweitern.
Oft wird in diesem Zusammenhang konstatiert: „Aber es gibt doch kein Recht auf ein Kind!“. Die rhetorische Wirkung dieser Aussage ist leider ihrer Uneindeutigkeit geschuldet. Natürlich kann es kein Recht auf ein Kind geben, so wie wir ein Recht auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall haben. Niemand kann einem anderen Menschen garantieren, ein Kind zu bekommen. Das ist schon unter natürlichen Verhältnissen so, und das gilt ganz besonders für die Reproduktionsmedizin. Aber wenn wir die Aussage so verstehen: „Haben wir nicht ein Recht darauf, Techniken zu nutzen, die womöglich zu einem Kind verhelfen?“, dann kann man sie nicht ohne Weiteres verneinen.
Immerhin gibt es ein verfassungsrechtlich verbrieftes Recht darauf, zu heiraten und eine Familie zu gründen. Der Staat braucht gute Gründe, um in diese privaten Lebensverhältnisse einzugreifen. Ein solcher guter Grund könnte sein, wenn Dritte, also in diesem Fall Eizellspenderinnen, unverhältnismäßig stark gefährdet werden. Deshalb muss man sich dafür einsetzen, die Risiken der Eizellspende klein zu halten, und dafür sorgen, dass die Spende nur erfolgt, wenn die Frau selbstbestimmt und aufgeklärt einwilligt. Liegt das vor, fallen die Gründe weg, die den Staat berechtigen, fortpflanzungswillige Paare davon abzuhalten, ein Kind zu bekommen. Es geht hier um eine sehr private Lebensentscheidung, in die der Gesetzgeber nur mit besonderen Gründen hineinregieren darf.
Auch eine Ungleichbehandlung von lesbischen Paaren ist rechtlich nicht zulässig. Wir wissen aus Studien, dass die Kinder in dieser Familienform gut aufwachsen und eine normale Entwicklung nehmen. [4] Ob Krankenkassen oder der Staat fortpflanzungsmedizinische Maßnahmen finanzieren sollen, ist eine andere Frage. Darüber kann man diskutieren. Man kann die Entscheidung für die Familiengründung als Frage des Lebensstils interpretieren. Meiner Meinung nach ist das allerdings nicht angemessen. Es geht um Frauen, die in Folge gesundheitlicher Probleme unfruchtbar sind. In anderen Bereichen gleicht das Gesundheitswesen derartige Nachteile aus, auch durch eine entsprechende Finanzierung der Behandlung. Das könnte dann auch Paaren bei der Eizellspende zustehen.
Im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung ist konsequenterweise festgehalten worden, dass die Legalisierung der Eizellspende in Deutschland geprüft werden soll. Dazu wird eine Kommission eingesetzt, die eine Empfehlung abgeben wird. Ob es zum Schluss gelingt, auch das Parlament für einen entsprechenden Gesetzesentwurf zu gewinnen? Ich hoffe, ja.
DOI: 10.13154/294-9629
ISSN: 2940-3170
[1] Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina (2019). Fortpflanzungsmedizin in Deutschland – für eine zeitgemäße Gesetzgebung. Stellungnahme. Halle/S.
[2] Heyder, C. (2021). Familiengründung mittels Eizellspende. Ethische Betrachtungen über den Umgang mit einer reproduktionsmedizinischen Praxis in einer liberalen Gesellschaft. Universität Bielefeld: Diss. phil.
[3] Beier, K.; Brügge, C.; Thorn, P.; Wiesemann, C. (Hrsg.) (2020). Assistierte Reproduktion mit Hilfe Dritter. Medizin – Ethik – Psychologie – Recht, Springer: Heidelberg, New York.
[4] Vgl. Fn. 3.
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