Abstract: Ob Privatkliniken an die Gebührenordnung für Ärzte gebunden sind, ist seit Jahren regelmäßig Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. Trotz bundesgerichtlicher Rechtsprechung flammt der Streit regelmäßig neu auf. Dieser Beitrag stellt den Streitstand und die jüngste Rechtsprechung zu dieser Frage dar.
A. Einleitung
Für von juristischen Personen getragene Privatkliniken bzw. Privatkrankenanstalten ist die Rechtsauffassung weit verbreitet,[1] dass der Anwendungsbereich der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) und des Krankenhausentgeltgesetztes (KHEntgG) nicht eröffnet sei, sodass diese Privatkliniken nach dieser Auffassung die Vergütung mit den Patienten frei – d. h. in den allgemeinen Grenzen der §§ 134, 138 BGB – vereinbaren könnten. [2]
Insbesondere zwei wettbewerbsrechtliche Entscheidungen[3] werden allerdings zur Begründung der gegenteiligen Auffassung herangezogen[4] und diese Frage ist nach wie vor Gegenstand der Rechtsprechung.[5] Vor diesem Hintergrund wird nachfolgend zunächst der Stand der juristischen Diskussion und der bisher ergangenen Rechtsprechung dargestellt, woran sich eine kritische Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Rechtsauffassungen anschließt.
B. Grundlagen und Begriffliches
Den umgangssprachlichen Begriff Privatklinik verwendet der Gesetzgeber nicht. Die seit 1869 weitgehend unveränderten Vorschrift[6] zur gewerberechtlichen Konzession trägt die amtliche Überschrift Privatkrankenanstalten. Die Terminologie Privatklinik wird vielfach zur Abgrenzung von öffentlichen Krankenhäusern, d. h. Krankenhäusern mit einer Zulassung zur Behandlung gesetzlich versicherter Patienten gemäß §§ 108, 109 SGB V, verwendet. Dieser Beitrag befasst sich mit den rechtlichen Rahmenbedingungen beim Abschluss von Vergütungsvereinbarungen zwischen Patienten und Privatkliniken in diesem Sinne, d. h. es geht ausschließlich um nicht zur Behandlung gesetzlich Versicherter Patienten zugelassene Krankenhäuser[7] und es geht auch nicht um die Abrechnung von Wahlleistungen gemäß § 17 KHEntgG.[8]
In der Diskussion um die Bindung von Privatkliniken wird vielfach auf die Eigenschaft als gemäß § 30 GewO konzessionierte Privatkrankenanstalt Bezug genommen. Die im Gewerberecht verortete Konzessionierungspflicht hat allerdings eine gefahrenabwehrrechtliche Zielsetzung, sodass die Konzessionierung für die vergütungsrechtliche Einordnung keine unmittelbare Relevanz hat. Für die vergütungsrechtliche Einordnung ist allein entscheidend, ob der Anwendungsbereich von Vergütungsregelungen, d. h. des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG) oder der GOÄ, eröffnet ist.
C. (Keine) Bindung an das KHEntgG
Gemäß § 1 Abs. 1 GOÄ haben andere bundesgesetzliche Vorschriften Vorrang vor der GOÄ, sodass das KHEntgG vorrangig ist und es für an das KHEntgG gebundene Krankenhäuser von vorneherein nicht auf den Streit zur Geltung der GOÄ für Privatkliniken ankommt.
Die Eröffnung des Anwendungsbereichs des KHEntgG für die hier thematisierten reinen Privatkliniken scheitert an der fehlenden Förderfähigkeit nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), denn Privatkliniken sind gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 KHG i. V. m. § 67 AO nicht förderfähig und unterfallen daher der Ausnahme vom Anwendungsbereich gemäß § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 KHEntgG.[9] Für Privatkliniken ist der Anwendungsbereich des KHEntgG also nicht eröffnet und es besteht grundsätzlich keine Bindung an das DRG-System.
Von diesem Grundsatz gibt es allerdings eine Ausnahme durch eine Sonderregelung für sog. ausgegründete Privatkliniken (§ 17 Abs. 1 S. 5 KHG). Dabei handelt es sich um Privatkliniken, die durch Träger von Plankrankenhäusern gegründet werden, die seit dem Inkrafttreten der Regelung an das KHEntgG gebunden sind.[10] Solche sind ausdrücklich nicht Gegenstand der vorliegenden Betrachtung.
D. (Keine) Bindung an die Gebührenordnung für Ärzte
Ausgangspunkt der Diskussion um die Bindung von Privatkliniken an die GOÄ ist der Wortlaut von § 1 Abs. 1 GOÄ:
„Die Vergütungen für die beruflichen Leistungen der Ärzte bestimmen sich nach dieser Verordnung, soweit nicht durch Bundesgesetz etwas anderes bestimmt ist.“
Gegen eine Bindung von Privatkliniken in Trägerschaft von juristischen Personen wird angeführt, dass die Formulierung sich direkt auf die Vergütung des Arztes für berufliche Leistungen beziehe und insofern einen Behandlungsvertrag unmittelbar zwischen dem Arzt und dem Patienten voraussetze. [11] Bei einer Behandlung in einer Privatkrankenanstalt in Trägerschaft einer juristischen Person würde der Behandlungsvertrag demgegenüber mit der juristischen Person geschlossen, die selbst kein Arzt sei und die GOÄ sei auch nicht auf eine Anwendung durch juristische Personen ausgerichtet.
Die Gegenauffassung[12] führt insbesondere an, dass ein Unterschied zwischen Ärzten und Privatkliniken nicht geboten sei, da auch bei juristischen Personen angestellte Ärzte schon aufgrund berufsrechtlicher Vorschriften ihre Leistungen in der gebotenen Qualität erbringen müssten, sodass ein Unterschied im Zuge der Abrechnung nicht erforderlich sei. Darüber hinaus führe dieser Unterschied zu zufälligen Ergebnissen, da zwischen der für Berufsausübungsgemeinschaften typischen Rechtsform, einer (teilrechtsfähigen) GbR, und juristischen Personen grundlos unterschieden würde.[13]
I. Rechtsprechung zur Vergütung von Privatkrankenanstalten
Zum Beleg einer Bindung von Privatkliniken an die GOÄ wird vielfach auf ein Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH)[14] aus dem Jahr 2006 zurückgegriffen, weil diese Entscheidung eine Behandlung in einer Privatklinik betraf.[15] Diese Rechtsprechung griff die zu diesem Zeitpunkt noch nicht abschließend geklärte Rechtsfrage auf, ob die GOÄ auch auf nicht medizinisch indizierte kosmetische Operationen anwendbar ist.[16] Aus dem Tatbestand des Urteils wird dabei deutlich, dass in diesem Fall gerade keine juristische Person Partei des Behandlungsvertrages war, denn der „beklagte Facharzt für Chirurgie/plastische Chirurgie betreibt in G. eine Privatklinik.“[17] Insofern verhält sich die Entscheidung auch in keiner Formulierung zur Frage, ob eine Bindung an die GOÄ auch auf juristische Personen anwendbar ist. Dieser Umstand wird durch die im Nachgang an die Entscheidung veröffentlichte Pressemitteilung noch einmal bestätigt:
„Das gilt allerdings nur für die Liquidationen durch den Arzt selbst, nicht dagegen, wenn das Krankenhaus – wie häufig – in der Form einer selbständigen juristischen Person (z.B. GmbH) geführt wird und der Behandlungsvertrag ausschließlich mit der Klinik abgeschlossen worden ist. Für Krankenhausbehandlungen gelten andere gesetzliche Regelungen, über die der Bundesgerichtshof hier nicht zu entscheiden hatte.“[18]
Diese Klarstellung wäre bei einer allgemeinen Geltung der GOÄ für alle Privatkliniken nicht erforderlich gewesen, sodass das Urteil jedenfalls keine Bindung von durch juristische Personen getragene Privatkliniken an die GOÄ belegen kann. Vielmehr ergibt sich aus der Pressemitteilung das Gegenteil – eine Entgeltbindung wird in diesem Fall gerade verneint.
Eine eindeutige Entscheidung zur Bindung an die GOÄ durch ein Bundesgericht stammt vom Bundessozialgericht (BSG) [19] aus dem Jahr 2012, in der der erste Senat ausdrücklich klarstellt, dass der Anwendungsbereich der GOÄ für Privatkrankenanstalten gemäß § 30 GewO nicht eröffnet ist. Nach dieser Rechtsprechung ist lediglich entscheidend, ob der Patient den Behandlungsvertrag mit dem Träger des Krankenhauses geschlossen hat, BSG, Urteil vom 11. September 2012, B 1 KR 3/12 R, Rn. 38 f. juris:
„Nach § 1 Abs 1 GOÄ bestimmen sich nämlich die Vergütungen für die beruflichen Leistungen der Ärzte nach dieser Verordnung, soweit nicht durch Bundesgesetz etwas anderes bestimmt ist. Der Anwendungsbereich der GOÄ (vgl dazu auch BGHZ 183, 143) ist dagegen nicht eröffnet, weil nicht nur “berufliche Leistungen der Ärzte” Vertragsgegenstand sind, wenn der Patient – wie hier die Klägerin – weitergehend einen umfassenden, sog totalen Krankenhausaufnahmevertrag ohne Arztzusatzvertrag mit dem Träger des Krankenhauses geschlossen hat (vgl Hermanns/Filler/Roscher, GOÄ Komm, 4. Aufl 2010, § 1 S 17 f; Quaas in ders/Zuck, Medizinrecht, 2. Aufl 2008, § 13 RdNr 41 ff; Spickhoff in ders, Medizinrecht, 2011, § 1 GOÄ RdNr 6).
[…]
Gemäß § 1 Abs 2 S 2 Nr 2 KHEntgG gilt dieses Gesetz indes ua nicht für Krankenhäuser, die nach § 5 Abs 1 Nr 2 KHG nicht gefördert werden.“
[…]
„Eine solche aufgrund einer Konzession nach § 30 Abs 1 Gewerbeordnung betriebene Privatkrankenanstalt – wie die H. ist in ihrer Preisgestaltung – in den Grenzen der §§ 134, 138 BGB – grundsätzlich frei (vgl BGH Beschluss vom 21.4.2011 – III ZR 114/10 – RdNr 5, GesR 2011, 492 = MedR 2011, 801; vgl auch BGHZ 154, 154, 158).“
Dabei differenziert das BSG nicht anhand der Person des Trägers, sondern lediglich anhand des Vorliegens einer Krankenhausbehandlung. Diese Rechtsprechung lässt sich daher gegen eine Anwendung der GOÄ auf eine Privatklinik in Trägerschaft einer natürlichen Person und einer juristischen Person anführen. Diese Rechtsprechung bestätigte das BSG auch noch einmal im Jahr 2017,[20] wobei der Träger der Privatklinik in diesem Fall eine juristische Person war. Nach der Rechtsprechung des BSG gelten für Privatkliniken in Fragen der Gebührenberechnung also lediglich die allgemeinen zivilrechtlichen Grenzen der §§ 134, 138 BGB.
Soweit Schroeder-Printzen einen Rückgriff auf diese Rechtsprechung ablehnt, da aufgrund des totalen Krankenhausaufnahmevertrages die Vergütungssystematik im stationären Bereich nach DRG zur Anwendung gelange und insofern keine Anwendung der GOÄ erfolge,[21] verkennt er, dass der Anwendungsbereich des KHEntgG – d. h. die Anwendung des DRG-Systems – nicht vom Vorliegen eines totalen Krankenhausaufnahmevertrages für die stationäre Behandlung abhängt. Für diese Frage ist vielmehr entscheidend, ob das konkrete Krankenhaus nach den Vorschriften des Krankenhausfinanzierungsrechts gefördert wird (s. o. C.). Das Urteil des BSG betraf gerade eine solche nicht geförderte Privatklinik, sodass das BSG folgerichtig eine Bindung an das DRG-System – ausdrücklich – ablehnte und dabei klarstellte, dass die Preisgestaltung frei erfolgen könne.[22]
II. Wettbewerbsrechtliche Rechtsprechung
Eine Bindung von Privatkliniken an die GOÄ wurde insbesondere in zwei wettbewerbsrechtlichen Entscheidungen bejaht. Beide Entscheidungen betrafen Werbung mit Festpreisen für ärztliche Behandlungen.[23]
Aus dem Tatbestand des Urteils des Landgerichts (LG) Düsseldorf geht hervor, dass in diesem Rechtsstreit ein Arzt als natürliche Person der Beklagte war.[24] Das Gericht stellte dabei zwar klar, dass der Beklagte Inhaber einer Privatklinik in der Rechtsform einer GmbH sei, aber die GmbH war gerade nicht Beklagte im Rechtsstreit. Es spricht daher viel dafür, dass lediglich die Abrechnung über die GmbH erfolgte, aber der Behandlungsvertrag mit dem Arzt geschlossen wurde. Diesen Unterschied hat auch das AG Köln unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Rechtsprechung des LG Düsseldorf klargestellt:
„Vorliegend hat die Beklagte vorgetragen, dass der Behandlungsvertrag mit der juristischen Person selbst geschlossen worden ist. Der Vortrag des Klägers in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 17.2.2016 vermag die Anwendbarkeit der Gebührenordnung nicht zu begründen. Sofern dieser auf die Rechtsprechung des Landgerichts Düsseldorf vom 30. August 2013, Az. 38 O 6/13 verweist, ergibt sich nichts anderes. Denn der Kläger hat nicht bestritten, dass der vorliegende Vertrag nicht mit den behandelnden Ärzten, sondern vielmehr mit der Beklagten selbst geschlossen wurde. In dem vom Landgericht Düsseldorf zu entscheidenden Fall wurde hingegen lediglich die Abrechnung durch die Klinik selbst und nicht durch den beklagten Arzt, der Inhaber und Betreiber der Klinik war, erstellt.“[25]
Der Entscheidung des LG Düsseldorf kommt daher keinerlei Aussagekraft hinsichtlich der Bindung von Privatkliniken an die GOÄ zu. Soweit ersichtlich spricht sich ausschließlich das Kammergericht Berlin eindeutig für eine Bindung von durch juristische Personen getragene Privatkliniken aus.[26]
E. Aktuelle Rechtsprechung
Nicht zuletzt durch die vorstehenden Entscheidungen flammt der Streit um die GOÄ-Bindung – trotz Klärung durch das BSG – regelmäßig wieder auf und ist in jüngerer Zeit erneut zum Gegenstand der Rechtsprechung geworden. Insoweit sind insbesondere die – eine Bindung an die GOÄ ausdrücklich ablehnenden – Entscheidungen des LG Köln[27] und des LG Duisburg[28] zu nennen.
Das LG Köln verlangt für eine fehlende Bindung an die GOÄ das Vorliegen eines sog. totalen Krankenhausaufnahmevertrages, also, dass auch Pflege und Übernachtung zusätzlich zu der ärztlichen Leistung geschuldet werden.[29]
Das LG Duisburg lehnt eine Bindung an die GOÄ ausdrücklich ab und zieht zur dogmatischen Begründung seiner Entscheidung § 1 GOÄ heran. Das LG Duisburg schließt sich damit der Auffassung an, die für eine Bindung an die GOÄ einen Behandlungsvertrag mit einem Arzt voraussetzt. Dogmatisch folgerichtig stellte das LG Duisburg dabei auch klar, dass es dabei nicht auf die Erteilung einer Konzession gemäß § 30 GewO ankommt, sondern auf den (nichtärztlichen) Vertragspartner. [30]
Die aktuelle Rechtsprechung des LG Köln und insbesondere des LG Duisburg stützt erneut die Auffassung, dass Privatkliniken – jedenfalls bei Vorliegen eines totalen Krankenhausaufnahmevertrages – nicht an die GOÄ gebunden sind. Insbesondere mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts aus dem Jahr 2012[31] ist daher inzwischen von einer ständigen Rechtsprechung zu dieser Frage auszugehen.
Offen bleibt allerdings die Frage, ob es für die Bindung an die GOÄ auf das (Nicht-)Vorliegen eines totalen Krankenhausvertrages ankommt oder ob lediglich maßgeblich ist, ob eine juristische Person Vertragspartner des Patienten ist:
Zur Begründung der Voraussetzung eines totalen Krankenhausvertrages stützt sich das LG Köln auf die Rechtsprechung des BSG aus dem Jahr 2012.[32] Der Entscheidung des BSG lag ein totaler Krankenhausaufnahmevertrag zugrunde, sodass die Frage in dieser Entscheidung des BSG – genauso wie im Rechtsstreit vor dem LG Duisburg – nicht entschieden werden musste. Daher ist nicht geklärt, ob das BSG tatsächlich einen totalen Krankenhausvertrag als zwingend ansieht.
Der Wortlaut in § 1 GOÄ bezieht sich auf die „Vergütungen für die beruflichen Leistungen der Ärzte“, sodass die beim totalen Krankenhausvertrag in Rede stehen Leistungen der Unterbringung und Pflege jedenfalls nicht vom Wortlaut erfasst sind. Dies schlösse eine Anwendung der GOÄ auf ärztliche Leistungen und getrennte Berechnung der Leistungen im Rahmen des totalen Krankenhausvertrages nicht aus, sodass der Wortlaut von § 1 Abs. 1 GOÄ eine Ableitung dieser Voraussetzung jedenfalls nicht trägt.
F. Fazit
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass eine Analyse der Rechtsprechung eindeutig gegen eine Bindung von durch juristische Personen getragene Privatkliniken an die GOÄ spricht. Mit der Entscheidung des BSG aus dem Jahr 2012[33], die es auch noch einmal im Jahr 2017[34] bestätigte liegt ausdrückliche Rechtsprechung eines Bundesgerichts vor, die sich die umfangreiche Rechtsprechung zum Anwendungsbereich des KHEntgG einfügt, in der vielfach auch mittelbar deutlich klargestellt wurde, dass die GOÄ nicht eingreift.[35]
Sachlich ist dieses Ergebnis auch gerechtfertigt, denn die Abweichung von der GOÄ folgt aus den höheren Anforderungen an die Organisationseinheit und Infrastruktur im Vergleich zu Behandlungsverträgen unmittelbar mit dem behandelnden Arzt.[36]
Zur Rechtfertigung des mit der Bindung an die GOÄ einhergehenden Eingriffs in die Berufsfreiheit wird ein Interesse der Patienten an Transparenz herangezogen[37] und auch das BVerfG[38] rechtfertigt die GOÄ gerade mit Transparenzüberlegungen: Eine Orientierung des Patienten an der Höhe des Steigerungssatzes würde dem Patienten verdeutlichen, dass bei einer Erhöhung des Regelsatzes auf eine im Marktvergleich hohe Vergütung hinweist. Durch die rechtliche Möglichkeit dazu (gem. § 2 Abs. 1 GOÄ) geht es der GOÄ dabei aber gerade nicht um eine Deckelung der Vergütungshöhe, sondern die GOÄ zielt lediglich auf Patientenschutz durch Transparenz ab. Der Patient soll durch einen bloßen Blick auf den Steigerungssatz erkennen können, dass eine vergleichsweise hohe Vergütung in Rede steht.
Dieses Argument verliert allerdings zunehmend an Gehalt: Die GOÄ stammt in wesentlichen Teilen noch aus dem Jahr 1982 und wurde 1996 nur teilweise novelliert. Transparenz kann die GOÄ in vielen Leistungsbereichen daher schon längst nicht mehr herstellen, da komplexe – für Patienten kaum nachvollziehbare – Analogberechnungen erforderlich werden und hohe Steigerungssätze für einige Leistungen zum Regelfall werden.
In diesem Zusammenhang ist außerdem darauf hinzuweisen, dass Abweichungen von der GOÄ regelmäßig dazu führen, dass Kostenträger die Kosten der Behandlung nicht übernehmen. Darauf sind Patienten gemäß § 630c Abs. 3 BGB – einschließlich der voraussichtlich entstehenden Behandlungskosten – in Textform hinzuweisen. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung ist also gewährleistet, dass der Patient weiß, dass er die Kosten selbst tragen muss oder jedenfalls Anlass und Gelegenheit hat eine (teil-)weise Erstattung vor der Behandlung zu klären. Ohne ordnungsgemäße Aufklärung besteht ein Schadensersatzanspruch. Daher stellen Pauschalpreise grundsätzlich ein sehr transparentes Vorgehen dar,[39] denn dem Patienten ist von vorneherein bekannt, welche Kosten er (selbst) zu tragen hat.
DOI: 10.13154/294-9864
ISSN: 2940-3170
[1] Vgl. z. B. BSG, Urteil vom 11. September 2012, B 1 KR 3/12 R, Rn. 39 juris; BGH, Urteil vom 12. März 2003, IV ZR 278/01, Rn. 9 juris; BGH, Urteil vom 23. März 2006, III ZR 223/05, juris, vgl. Pressemitteilung Nr. 52/2006; OLG München, Urteil vom 14. Januar 2010, 29 U 5136/09, Rn. 56 juris; OLG Köln, Urteil vom 18. August 2010, 5 U 127/09 in: MedR 2011, 369 ff.; AG Köln, Urteil vom 16. März 2016, 144 C 168/15, Rn. 16 juris; Hübner, in: Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 5. Auflage 2019, § 1 GOÄ, Rn. 7; Spickhoff, in: Spickhoff, Medizinrecht, 3. Auflage 2018, § 1 GOÄ, Rn. 6; Miebach in: Uleer/Miebach/Platt, Abrechnung von Arzt- und Krankenhausleistungen, 3. Auflage 2006, § 1 GOÄ, Rn. 6; Haack, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, 3. Auflage, 2013, Kapitel 11, Rn. 194; Stellungnahme der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Ambulante Leistungen im Krankenhaus für Privatpatienten vom 24. Mai 2011; Stiel (Mitarbeiter des zuständigen Referates 211) des Bundesministeriums für Gesundheit, Stellungnahme zu ambulanten Operationen im Krankenhaus vom 06. Mai 2011; Griebau in: Saalfrank, Handbuch des Medizin- und Gesundheitsrechts, 9. EL Januar 2020, § 5, Rn. 14; Scholz in: Rieger/Dahm/Katzenmeier/Steinhilper/Stellpflug (Hrsg.) HK-AKM, 45. AL Dezember 2012, Privatkrankenanstalten Nr. 4390, Rn. 12; Helbig in: Engelmann/Schlegel, juris PraxisKommentar SGB V, 4. Aufl. 2020, SGB V, § 13, Rn. 72; Wallhäuser, MedR 2011, 369 (373); im Ergebnis wohl auch Quaas, in: Quaas/Zuck, Medizinrecht, 4. Aufl. 2018, § 14, Rn. 42; u. v. m.).
[2] A.A. d. h. für eine Bindung an dir GOÄ sprechen sich aus: KG Berlin, Urteil vom 04. Oktober 2016, 5 U 8/16, Rn. 71 juris; Clausen in: Clausen/Schroeder-Printzen, Münchener Anwaltshandbuch Medizinrecht, 3. Auflage 2020, § 8, Rn. 190; Schroeder-Printzen in: Clausen/Makoski, GOÄ/GOZ, 1. Auflage 2019, Rn. 14; Gorlas, Deutsches Ärzteblatt, Jg. 115, Heft 8, 23. Februar 2018, A350.
[3] KG Berlin, Urteil vom 04. Oktober 2016, 5 U 8/16, Rn. 71 juris; LG Düsseldorf, Urteil vom 30.08.2013 – 38 O 6/13 U, Rn. 22 juris.
[4] Z. B. Gorlas, Deutsches Ärzteblatt, Jg. 115, Heft 8, 23. Februar 2018, A350.
[5] Vgl. LG Köln Hinweis- u. Beweisbeschluss vom 08.November 2021, 3 O 393/20; LG Köln; Urteil vom 15. Februar 2022, 3 O 232/19, 3 O 233/19 und 3 O 234/19; LG Duisburg, Urteil vom 24. November 2022, 12 O 190/21.
[6] Vgl. Büscher/Harney in: BeckOK GewO, Pielow, 57. Edition, Stand: 01.06.2022, § 30 GewO,Vorbemerkungen.
[7] Zum Verhältnis zur sozialversicherungsrechtlichen Zulassung ausführlich Büscher/Harney in: BeckOK GewO, Pielow, 57. Edition, Stand: 01.06.2022, § 30 GewO, Rn. 3 ff.
[8] Siehe zur Anwendung der GOÄ auf die unterschiedlichen Arten von Wahlleistungsvereinbarungen ausführlich Büscher/Harney in: BeckOK GewO, Pielow, 57. Edition, Stand: 01.06.2022, § 30 GewO, Rn. 11.
[9] Vgl. im Ergebnis z. B. OLG Köln, Urteil vom 18. 8. 2010, 5 U 127/09, Rn. 32 ff.; Götz in: BeckOK KHR Dettling/Gerlach, 3. Edition 2023, § 1 KHEntgG, Rn. 16; BSG, Urteil vom 11. September 2012, B 1 KR 3/12 R, Rn. 39 juris.
[10] Die Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 5 KHG lautet: „Eine Einrichtung, die in räumlicher Nähe zu einem Krankenhaus liegt und mit diesem organisatorisch verbunden ist, darf für allgemeine, dem Versorgungsauftrag des Krankenhauses entsprechende Krankenhausleistungen keine höheren Entgelte verlangen, als sie nach den Regelungen dieses Gesetzes, des Krankenhausentgeltgesetzes und der Bundespflegesatzverordnung zu leisten wären.“
[11] Hübner, in: Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 4. Auflage 2016, § 1 GOÄ, Rn. 7; Spickhoff, in: Spickhoff, Medizinrecht, 3. Auflage 2018, § 1 GOÄ, Rn. 6; Miebach in: Uleer/Miebach/Platt, Abrechnung von Arzt- und Krankenhausleistungen, 3. Auflage 2006, § 1 GOÄ, Rn. 7; Haack, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, 3. Auflage, 2013, Kapitel 11, Rn. 194; Griebau in: Saalfrank, Handbuch des Medizin- und Gesundheitsrechts, 9. EL August 2020; § 5, Rn. 14; Scholz in: Rieger/Dahm/Katzenmeier/Steinhilper/Stellpflug (Hrsg.) HK-AKM, Dezember 2012, Privatkrankenanstalten Nr. 4390, Rn. 12;vgl. Helbig in: Engelmann/Schlegel, juris PraxisKommentar SGB V, 4. Aufl. 2020, SGB V, § 13, Rn. 72; Büscher/Harney in: BeckOK GewO, Pielow, 57. Edition, Stand: 01.06.2022, § 30 GewO, Rn. 13.1.
[12] KG Berlin, Urteil vom 04. Oktober 2016, 5 U 8/16, Rn. 71 juris; Clausen in: Clausen/Schroeder-Printzen, Münchener Anwaltshandbuch Medizinrecht, 3. Auflage 2020, § 8, Rn. 190; Schroeder-Printzen in: Clausen/Makoski, GOÄ/GOZ, 1. Auflage 2019, Rn. 14; Gorlas, Deutsches Ärzteblatt, Jg. 115, Heft 8, 23. Februar 2018, A350.
[13] Vgl. Schroeder-Printzen in: Clausen/Makoski, GOÄ/GOZ, 1. Auflage 2019, Rn. 14.
[14] BGH, Urteil vom 23. März 2006, III ZR 223/05.
[15] Gorlas, Deutsches Ärzteblatt, Jg. 115, Heft 8, 23. Februar 2018, A350.
[16] BGH, Urt. v. 23. März 2006, III ZR 223/05, Rn. 6 juris.
[17] BGH, Urt. v. 23. März 2006, III ZR 223/05, Rn. 1 juris.
[18] Bundesgerichtshof, Pressemitteilung Nr. 52/2006.
[19] BSG, Urteil vom 11. September 2012, B 1 KR 3/12 R.
[20] BSG, Urteil vom 11. Juli 2017, B 1 KR 1/17 R, Rn. 30 juris.
[21] Schroeder-Printzen in: Clausen/Makoski, GOÄ/GOZ, 1. Auflage 2019, Rn. 14.
[22] BSG, Urteil vom 11. September 2012, B 1 KR 3/12 R, Rn. 39 juris.
[23] LG Düsseldorf, Urteil vom 30. August 2013, 38 O 6/13; Kammergericht Berlin 5 U 8/16.
[24] LG Düsseldorf, Urteil vom 30. August 2013, 38 O 6/13, Rn. 2 juris.
[25] AG Köln, Urteil vom 16. März 2016, 144 C 168/15, Rn. 17 juris.
[26] KG Berlin, Urteil vom 04. Oktober 2016, 5 U 8/16, Rn. 69 juris.
[27] LG Köln Hinweis- u. Beweisbeschluss vom 08.November 2021, 3 O 393/20; LG Köln; Urteil vom 15. Februar 2022, 3 O 231/19, 3 O 232/19, 3 O 233/19 und 3 O 234/19.
[28] LG Duisburg, Urteil vom 24. November 2022, 12 O 190/21 (rechtskräftig).
[29] LG Köln Hinweis- u. Beweisbeschluss vom 08.November 2021, 3 O 393/20; LG Köln; Urteil vom 15. Februar 2022, 3 O 232/19, 3 O 233/19 und 3 O 234/19, Rn. 21 juris.
[30] LG Duisburg, Urteil vom 24. November 2022, 12 O 190/21, S. 5.
[31] BSG, Urteil vom 11. September 2012, B 1 KR 3/12 R, Rn. 39 juris.
[32] LG Köln; Urteil vom 15. Februar 2022, 3 O 232/19, 3 O 233/19 und 3 O 234/19, Rn. 21 juris unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 11. September 2012, B 1 KR 3/12 R, Rn. 38 juris.
[33] BSG, Urteil vom 11. September 2012, B 1 KR 3/12 R, Rn. 38 f. juris.
[34] BSG, Urteil vom 11. Juli 2017, B 1 KR 1/17 R, Rn. 30 juris.
[35] BSG, Urteil vom 11. September 2012, B 1 KR 3/12 R, Rn. 39 juris; BSG, Urteil vom 11. Juli 2017, B 1 KR 1/17 R, Rn. 30 juris; BGH, Beschluss vom 21. April 2011, III ZR 114/10. Rn. 5 juris.
[36] vgl. zur Werbung BVerfG, Beschluss vom 19. November 1985, 1 BvR 38/78, Rn. 30 juris.
[37] BGH, Urteil vom 23. März 2006, III ZR 223/05, Rn. 15 juris.
[38] BVerfG, Beschluss vom 19. April 1991, 1 BvR 1301/89, Rn. 3 ff. juris.
[39] Vgl. zu einem Pauschalpreis für kosmetische Leistungen Erbsen MedR 2006, 424, 426.
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