E. Zur Bewertung der Kategorie des „bösgläubigen Leistungserbringers“
I. Allgemeines
Die im obiter dictum getroffenen Aussagen des 1. Senats überzeugen nicht. Das gilt für die angeblich wegen der Rechtsprechung des Großen Senats vorgenommene Durchbrechung der Trennung von Versicherungs- und Abrechnungsverhältnis (hierzu II.) ebenso wie für den Versuch, aus der dem Leistungserbringer bekannten Leistungsablehnung eine wie auch immer geartete Bindungswirkung herzuleiten (III.). Die teleologische Reduktion des § 275 Abs. 1c SGB V bzw. § 275c Abs. 1 SGB V mit Blick auf eine Nichtgeltung der Ausschlussfristen verschiebt die gesetzgeberischen Entscheidungen zur Prüfung bei Krankenhausbehandlung ohne jede Rechtfertigung zu Lasten der Leistungserbringer; hier wird eine Form von Fürsorgepflicht des Krankenhauses konstruiert, die sich nicht begründen lässt (hierzu unter IV.). Eine Art „Gegenprobe“ macht deutlich, dass die unterschiedlichen Rechtsbeziehungen im SGB V stets strikt getrennt werden sollten (V.). Der Gesetzgeber hat ein detailreich ausgestaltetes Regelungsregime für die Krankenhausabrechnungsprüfung geschaffen, für dessen Durchbrechung kein Anlass besteht (VI.).
II. Die getrennten Ebenen und der Große Senat
Die Berufung des 1. Senats auf die zitierte Entscheidung des Großen Senats aus dem Jahr 2007 trägt zur Beantwortung der hier erörterten Fragestellung nichts bei. Dass „die Entscheidung darüber, ob dem Versicherten ein Anspruch auf Gewährung vollstationärer Krankenhausbehandlung als Sachleistung zusteht und darin eingeschlossen die Entscheidung, ob eine stationäre Behandlung aus medizinischen Gründen notwendig ist“, nicht dem Krankenhaus obliegt, „sondern der KK, gegen die sich der Anspruch richtet,“ [40] dürfte unstreitig sein. Es ist stets die Krankenkasse – und gegebenenfalls später das Gericht –, die die Erforderlichkeit der stationären Behandlung eigenständig und ohne Bindung an eine Beurteilung des Krankenhausarztes prüft. [41] Mit der Thematik einer wie auch immer gearteten Bindungswirkung einer im Versichertenverhältnis ergangenen Leistungsablehnung hat sich der Große Senat dagegen überhaupt nicht befasst.
III. Zur Bindungswirkung der Leistungsablehnung
Auch die Aussagen des 1. Senats zum Verwaltungsverfahrensrecht überzeugen nicht. Die Leistungsablehnung, die mit Bekanntgabe an den Versicherten materiell bestandskräftig geworden ist, konnte nach Ablauf der Widerspruchsfrist vom Versicherten nicht mehr angefochten werden. Sie war damit auch formell bestandskräftig geworden. Wenn das Gericht nun auf § 44 SGB X abstellt, vermengt es – letztlich im Gegensatz zu seinen eigenen vorherigen Aussagen zur Trennung von Versicherungs- und Abrechnungsverhältnis [42] – die unterschiedlichen Ebenen. Die Rechtsfolgen einer rechtswidrigen Leistungsablehnung im Versicherungsverhältnis beurteilen sich nach § 44 SGB X und gegebenenfalls auch nach § 13 Abs. 3 SGB V; über die Bedeutung des Verwaltungsakts für den Leistungserbringer besagen diese Normen aber gerade nichts.
Maßgeblich kann insoweit nur sein, für wen der erlassene Verwaltungsakt überhaupt Bindungswirkung entfaltet. [43] Ein Verwaltungsakt wird mit seiner Bekanntgabe wirksam und damit materiell bestandskräftig. [44] Nach § 37 Abs. 1 S. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Gemäß § 39 Abs. 1 SGB X wird er gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Diese klaren gesetzlichen Vorgaben machen deutlich, dass das Krankenhaus, das den Versicherten nach der ihm gegenüber ergangenen Leistungsablehnung operiert hat, mit diesem Verwaltungsakt – um es umgangssprachlich zu formulieren – nichts zu tun hat. Das Krankenhaus war am Verwaltungsverfahren nicht beteiligt; [45] insbesondere eine – in der sozialrechtlichen Praxis ohnehin ein Schattendasein führende [46] – Hinzuziehung nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 SGB X war nicht erfolgt. Eine solche Hinzuziehung dürfte ebenso wie eine Bekanntgabe des Verwaltungsakts an den Leistungsträger nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB X [47] auch faktisch unmöglich sein, weil die Kasse zumeist – wie auch im vorliegenden Fall – gar nicht weiß, dass der Versicherte sich trotz Leistungsablehnung operieren lassen will und wo er das zu tun gedenkt.
Schließlich führt auch die sogenannte Tatbestandswirkung von Verwaltungsakten zu keinem anderen Ergebnis. Während die Bestandskraft sich nur auf das durch den Verwaltungsakt geschaffene Rechtsverhältnis bezieht und die daran beteiligten Rechtssubjekte bindet, geht die Tatbestandswirkung bekanntermaßen darüber hinaus – danach ist der erlassene Verwaltungsakt von allen Staatsorganen zu beachten und gleichsam als Tatbestand den eigenen Entscheidungen zugrunde zu legen. [48] Krankenhäuser als Leistungserbringer im Recht der GKV sind aber eben keine Staatsorgane; und ihr Rechtsverhältnis zu den Krankenkassen als Leistungsträger ist im Gesetz autonom ausgestaltet.
IV. Fürsorgepflicht des Krankenhauses?
Die Lektüre des obiter dictum in der Entscheidung des 1. Senats erweckt insgesamt den Eindruck, als existierte eine gesetzlich nicht geregelte, besondere Fürsorgepflicht der Leistungserbringer gegenüber den Krankenkassen, die allerdings erst mit Eintritt der „Bösgläubigkeit“ greifen soll.
Ausgehend von der unstreitig zu akzeptierenden Trennung von Versicherungs- und Abrechnungsverhältnis stellt der 1. Senat zunächst fest, dass ein Krankenhaus die Erforderlichkeit der Krankenbehandlung in einem ersten Schritt selbst prüfen müsse und nicht verpflichtet sei, eine eventuelle Leistungsablehnung beim Versicherten oder der Krankenkasse zu erfragen. [49] Es sei die Krankenkasse, die das Risiko trägt, dass der Versicherte trotz der Ablehnung ein Krankenhaus aufsucht und sich – ohne die Ablehnung zu offenbaren – operieren lässt; dieses Risiko sei „mangels einer normativ-organisatorischen Absicherung von Leistungsablehnungen gegenüber allen nach § 108 SGB V in Frage kommenden Krankenhäusern allein dem Versicherungsverhältnis zuzuordnen und habe keine Auswirkung auf den Vergütungsanspruch. [50]
Anders soll sich die Rechtslage aber gestalten, wenn der Leistungserbringer – zufällig oder durch Offenbarung durch den Versicherten selbst – erfährt, dass die Kasse den Leistungsanspruch verneint hat. In diesem Fall müsse er – so der 1. Senat – jedenfalls bei der Abrechnung darauf hinweisen, dass er die Operation in Kenntnis des ablehnenden Bescheids durchgeführt habe. [51] Woraus der 1. Senat diese Verpflichtung des Leistungserbringers ableitet, bleibt offen – es dürfte allerdings auch schwer sein, sie gesetzlich irgendwie zu verorten. Insbesondere § 301 SGB V erweist sich insoweit als unergiebig. Die Norm regelt, welche Angaben ein Krankenhaus bei Krankenbehandlung der Krankenkasse gegenüber zu machen hat – und hier ist von einem Wissen um eine Leistungsablehnung, also von einer „Bösgläubigkeit“ im Sinne des 1. Senats, schlicht keine Rede.
Das Bemühen, in einer hochregulierten Materie wie dem Leistungserbringungsrecht des SGB V zusätzliche ungeschriebene Fürsorgepflichten der Beteiligten zu etablieren, ist hier ebenso wenig von Erfolg gekrönt wie im eigentlichen Versicherungsverhältnis. Man hat bekanntermaßen lange versucht, aus dem sogenannten Sozialrechtsverhältnis beidseitige Verpflichtungen von Leistungsempfänger und Leistungsträger abzuleiten [52] – spätestens seit Inkrafttreten des SGB I und zahlreicher spezialgesetzlicher Normen sind solche Versuche abzulehnen. [53] Dass es im Übrigen in der hier zu erörternden Konstellation auch keinerlei Bedürfnis für eine Informationspflicht des Krankenhauses gibt, sei nur am Rande erwähnt. Im Verhältnis zur Krankenkasse hat der Leistungserbringer – anders als etwa der Arzt im Verhältnis zum Patienten [54] – gerade keinerlei „überlegendes Wissen“, das es auszugleichen gälte.
V. Die „Gegenprobe“
Das obiter dictum des 1. Senats legt es nahe, sich auch mit der gleichsam umgekehrten Konstellation zu befassen. Wie wäre die Rechtslage zu beurteilen, wenn die Krankenkasse dem Versicherten gegenüber seinen Leistungsanspruch ohne Vorliegen der entsprechenden Tatbestandsvoraussetzungen und damit rechtswidrig begünstigend durch Verwaltungsakt bestätigt hätte und das Krankenhaus von diesem Verwaltungsakt Kenntnis hat? Dürfte das Krankenhaus die Leistung erbringen und sich im Abrechnungsstreit auf seine „Gutgläubigkeit“ berufen? Vor dem Hintergrund der Trennung von Behandlungsverhältnis und Abrechnungsverhältnis muss auch hier letztlich Folgendes gelten: Die Bewilligung ist gegenüber dem Versicherten und nicht gegenüber dem Krankenhaus ergangen – denn nur ersterer ist als Anspruchsinhaber und Adressat des Verwaltungsakts Beteiligter im Verwaltungsverfahren. Das Abrechnungsverhältnis zwischen Krankenhaus und Krankenkasse dagegen wird von dem den Versicherten begünstigenden Verwaltungsakt nicht tangiert; der Leistungserbringer war am Verwaltungsverfahren nicht beteiligt, so dass die Entscheidung zugunsten des Versicherten auch in dieser Konstellation für ihn keinerlei rechtliche Bindungswirkung entfalten kann.
Die – fast wie ein Mantra immer wieder betonte – Trennung der unterschiedlichen Ebenen [55] wird allerdings vom BSG auch in dieser Konstellation nicht konsequent durchgeführt. Vielmehr soll eine Erklärung der Krankenkasse gegenüber dem Versicherten, man werde die Kosten einer stationären Behandlung übernehmen, zugunsten des Krankenhauses einen Vertrauenstatbestand schaffen, auf den dieses sich bei der Geltendmachung seines Vergütungsanspruchs gegenüber der Krankenkasse berufen könne. [56] Übernommen wird hier die Rechtsprechung des BSG zur sogenannten Vorab-Prüfung im Rahmen vertragsärztlicher Versorgung in „Fällen unklarer Verordnungen“: [57] Hier soll der Vertragsarzt entweder ein Privatrezept ausstellen und es dem Versicherten überlassen, sich bei seiner Krankenkasse um Kostenerstattung zu bemühen oder selbst durch Anfrage bei der Kasse eine Klärung herbeiführen. Nur bei entsprechender Vorab-Prüfung sei der Vertragsarzt vor dem Risiko eines Regresses geschützt,[58] weil er sich auf einen „Vertrauenstatbestand“ berufen könne. Worauf genau dieses Vertrauen beruhen soll, lässt das BSG allerdings leider offen – es kann jedenfalls nicht der den Versicherten begünstigende Verwaltungsakt sein, der Vertrauensschutz zugunsten des Arztes begründet. [59]
Die Rechtsprechung kennt damit – ohne diese Begrifflichkeit zu verwenden – also tatsächlich auch einen „gutgläubigen“ Leistungserbringer, der auf die Bewilligung zugunsten des Versicherten vertraut hat und im Einzelfall auch vertrauen durfte. [60] Warum dann aber die dem Krankenhausträger – das ist die gleichsam umgekehrte Betrachtung – gegenüber erteilte Kostenzusage bzw. Kostenübernahmeerklärung ihrerseits keine Bewilligung der Leistung gegenüber dem Versicherten darstellen soll, [61] auf die dieser vertrauen könnte, erschließt sich letztlich nicht.
Schon aus dogmatischen Gründen sollten daher die rechtlichen Ebenen auch in einer Konstellation, in der dem Krankenhaus ein dem Versicherten gegenüber erlassenen Bewilligungsbescheid bekannt ist, sauber getrennt werden. [62] Und auch hier drohen im Übrigen keine unbilligen Ergebnisse, die es zu korrigieren gälte – auch wenn das Bedürfnis der Leistungserbringer, die Vergütungsfrage vor der Behandlung klären zu können, aus rechtspraktischer Sicht vollkommen verständlich ist. Der Versicherte selbst ist auch im Fall einer rechtswidrigen Bewilligung durch § 45 Abs. 2 SGB X geschützt; das dürfte allerdings im Regelfall nur dann gelten, wenn die Operation bereits durchgeführt wurde, denn nur dann wurde eine nicht mehr rückgängig zu machende Vermögensdisposition im Sinne von § 45 Abs. 1 S. 2 SGB X getroffen. Im Verhältnis zum Leistungserbringer ist die Krankenkasse im Rahmen der Abrechnungsprüfung – unabhängig vom Schicksal des begünstigenden Verwaltungsakts, der in dieser Beziehung schlicht keine Rolle spielt – nicht gehindert, die fehlende Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung zu beanstanden und die Vergütung zu verweigern. Das Krankenhaus kann dieses Risiko allerdings durch Einholung einer Kostenübernahmeerklärung beseitigen, die innerhalb des Naturalleistungssystems verortet ist [63] und als deklaratorisches Anerkenntnis [64] der Zahlungspflicht der Krankenkasse für die Behandlung verstanden wird. [65] Jedenfalls für den Bereich der Krankenhausbehandlung wird die Kostenübernahme in § 112 Abs. 2 Nr. 1 b) SGB V ausdrücklich genannt; im vertragsärztlichen Bereich hat sie durch § 2 Abs. 1a S. 2 und 3 SGB V Eingang in das SGB V gefunden. [66]
VI. Zur Stimmigkeit der gesetzlichen Regelungskonzeption
Angesichts der bisher gewonnenen Erkenntnisse drängt sich die Frage auf, was den 1. Senat zu seinem obiter dictum bewogen haben könnte. Auch hier ist die Antwort schnell gefunden – letztlich scheint es um die Heilung eines Fehlverhaltens der Krankenkasse zu gehen. Denn das Gericht knüpft an die Bösgläubigkeit des Krankenhauses eine Art Sanktion, die nur in diesem Kontext Sinn macht: Die Krankenkasse ist infolge eines nicht durchgeführten Prüfverfahrens und der damit bestehenden Beweisverwertungsverbote [67] nicht in der Lage, die fehlende Erforderlichkeit der Behandlung zu belegen. Genau deshalb soll sich das Krankenhaus in dieser Konstellation nicht auf die zu seinen Gunsten geregelten Ausschlussfristen berufen können. [68]
Vor diesem Hintergrund wird aber gerade deutlich, dass der Gesetzgeber eine in sich stimmige Regelungskonzeption zur Prüfung von Krankenhausbehandlung geschaffen hat. Diese gilt für das Abrechnungsverhältnis zwischen Krankenhaus und Krankenkasse – und sie ist vollkommen unabhängig vom Versicherungsverhältnis zwischen Versichertem und Krankenkasse ausgestaltet. Für die Kasse bedeutet das, dass sie – auch wenn sie gegenüber dem Versicherten einen den Leistungsanspruch negierenden Verwaltungsakt erlassen hat – in jedem Fall ein Verfahren nach § 275c SGB V durchführen muss, um ihre eigene Rechtsposition in auch beweisrechtlicher Hinsicht zu wahren. [69] Wenn sie das nicht tut, riskiert sie beweisrechtliche Nachteile, die sich gegebenenfalls zugunsten des Krankenhauses auswirken können. [70] Aber auch das Krankenhaus geht ein tatsächliches Risiko ein, wenn es in Kenntnis der gegenüber dem Versicherten ergangenen Leistungsablehnung die Behandlung erbringt – denn es ist in einer solchen Konstellation zu erwarten, dass es im Rahmen der Abrechnungsprüfung zu Problemen mit der Krankenkasse kommen wird. Insofern lässt sich von einer jedenfalls faktischen Verknüpfung der beiden rechtlich getrennt zu betrachtenden Ebenen sprechen. [71]
Entsprechendes gilt im gleichsam umgekehrten Fall: Ein Krankenhaus kann sich nicht auf eine gegenüber dem Versicherten erlassene Leistungsbewilligung verlassen; hat es Zweifel hinsichtlich der Kostentragung durch die Krankenkasse, ist ihm zu raten, eine entsprechende Kostenübernahmeerklärung einzuholen. Unterlässt es das, riskiert das Krankenhaus seine Vergütung – eben weil das Abrechnungsverhältnis vom Versichertenverhältnis zu trennen ist. Die Krankenkasse ist berechtigt, die Zahlung an das Krankenhaus zu verweigern, obwohl sie die Leistung dem Versicherten gegenüber bewilligt hat.
F. Fazit
Das positive Wissen des Leistungserbringers von einer dem Versicherten gegenüber ergangenen Leistungsablehnung der Krankenkasse ist für seinen Vergütungsanspruch nach Maßgabe des SGB V [72] ohne jede Relevanz. [73] Die Entscheidung der Krankenkasse ist zwar in einem Rechtsverhältnis angesiedelt, um dessen Realisierung es im Rahmen der Leistungserbringung letztlich geht; Versicherungs- und Abrechnungsverhältnis sind allerdings streng zu trennen. Gerade im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, in dem das in § 19 SGB IV normierte Antragsprinzip – verstanden als vorherige Beantragung einer Leistung durch die Krankenkasse – praktisch nicht gelebt wird, [74] hängt es von Zufällen ab, ob vor der Behandlung überhaupt eine Entscheidung durch den Leistungsträger getroffen wurde. [75] Und noch mehr vom Zufall dürfte es abhängen, ob der Leistungserbringer von einer solchen Entscheidung Kenntnis erlangt, denn diese Entscheidungen sind – um es mit den Worten des 1. Senats zu sagen – normativ-organisatorisch nicht „abgesichert“. [76] Statt nun auf die nicht nur in Zeiten des geplanten Bürokratieabbaus wohl abwegige Idee zu kommen, dieses vermeintliche Manko durch Etablierung einer weiteren Datenbank zu beheben, sollten alle Beteiligten schlicht das tun, was das SGB V ihnen abverlangt und zugleich ermöglicht – nicht mehr und nicht weniger.
Die Kategorie der Böswilligkeit, die das BSG auch in anderem Kontext als relevante Kategorie heranzieht, [77] spielt zwar mit Blick auf § 45 Abs. 2 SGB X im Versicherungsverhältnis eine maßgebliche Rolle; [78] für das Abrechnungsverhältnis fehlt es aber an einer entsprechenden gesetzlichen Regelung. Das Bemühen des BSG, jenseits von der Verletzung bloßer Ordnungsvorschriften jegliches Fehlverhalten von Leistungserbringern durch entsprechende vergütungsrechtliche Konsequenzen zu sanktionieren, birgt nicht nur kaum zu kalkulierende strafrechtliche Risiken; es missachtet vor allem auch das Gewaltenteilungsprinzip des Grundgesetzes. [79] Insofern bleibt zu hoffen, dass das Gericht – sollte es denn tatsächlich mit einer Konstellation konfrontiert werden, in der das Krankenhaus positive Kenntnis von der Leistungsablehnung hatte – seine eigenen Ausführungen noch einmal kritisch hinterfragt.
DOI: 10.13154/294-9575
[1] Vgl. hierzu im Kontext von § 123 XII Streichsbier, in: Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, 7. Aufl. 2020, § 123, Rn. 3.
[2] BSG, Urteil vom 16. Dezember 1993, Az. 4 RK 5/92, Rn. 47 juris.
[3] Vgl. § 77 SGB V.
[4] Zum langjährigen Streit über die hier maßgebliche Vertragskonzeption Lang, in: Becker/Kingreen, SGB V, 8. Aufl. 2022, § 76 Rn. 25 m.w.N.
[5] Vgl. nur BSG, Urteil vom 21. August 1996, Az. 3 RK 2/96 (Orientierungssatz 2), juris zum Behandlungs- und Abrechnungsverhältnis sowie etwa BSG, Urteil vom 11. April 2002, Az. B 3 KR 24/01 R, Rn. 23 juris zu allen drei Ebenen. Zu allem auch Wahl, in: jurisPK-SGB V, Stand 6.5.2022, § 109 Rn. 151.
[6] BSG, Urteil vom 8. Oktober 2019, Az. B 1 KR 3/19 R, juris sowie BSG, Urteil vom 19. März 2020, Az. B 1 KR 20/19 R, juris. Ausführlich hierzu Felix, MedR 2021, 7.
[7] Prütting/Wolk stellen fest, dass der Vergütungsanspruch „gesetzlich nicht normiert und bislang nur unzureichend vermessen“ ist (JZ 2022, 1101, 1107). Zum Vergütungsanspruch des Krankenhauses ausführlich Felix, SGb 2017, 181 (Teil 1) und 259 (Teil 2).
[8] Weder die vage Forderung nach Einheit der Rechtsordnung noch eine Verknüpfung der Aufklärungspflicht mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot des SGB V rechtfertigen einen Wegfall der Vergütung (hierzu Felix, MedR 2021, 7, 13).
[9] Vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 19. August 2020 – 5 StR 558/19, juris; ausführlich auch Prütting/Wolk, JZ 2022, 1101 m.w.N.
[10] Hierzu etwa BSG, Urteil vom 24. Januar 2008, Az. B 3 KR 17/07 R, Rn. 29 juris.
[11] Ausführlich Prütting/Wolk, JZ 2022, 1101.
[12] Az. B 1 KR 19/21 R, juris.
[13] Zum heutigen „Medizinischen Dienst“ (MD) und seiner Funktion im Rahmen der Prüfung bei Krankenhausbehandlung nach § 275c SGB V vgl. Felix, NZS 2020, 481.
[14] SG Stuttgart, Gerichtsbescheid vom 23. Juli 2019, Az. S 15 KR 6688/18, Rn. 15 juris.
[15] LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30. März 2021, Az. L 11 KR 2846/19, Rn. 22 juris.
[16] SG Stuttgart, Gerichtsbescheid vom 23. Juli 2019, Az. S 15 KR 6688/18, Rn. 21 juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30. März 2021 – Az. L 11 KR 2846/19, Rn. 23 juris.
[17] BSG, Urteil vom 22.6.2022, Az. B 1 KR 19/21 R, Rn. 21 juris.
[18] BSG, Urteil vom 22.6.2022, Az. B 1 KR 19/21 R, Rn. 21 juris. Der 1. Senat betont zugleich die Relevanz dieser Vorgaben für die Aufklärung durch den Arzt und spricht in diesem Kontext erneut die Gefährdung des Vergütungsanspruchs an (aaO. Rn. 24).
[19] Diese Ansicht hat das BSG im Übrigen auch schon in früheren Entscheidungen vertreten (vgl. die Nachweise in BSG, Urteil vom 22. Juni 2022, Az. B 1 KR 19/21 R, Rn. 31 juris).
[20] Möglicherweise hat sie dies unterlassen, weil sie den Anspruch gegenüber dem Versicherten bereits abgelehnt hatte.
[21] BSG, Urteil vom 22. Juni 2022, Az. B 1 KR 19/21 R, Rn. 25 ff. juris.
[22] Ausführlich zu den daraus folgenden Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverboten BSG, Urteil vom 22. Juni 2022, Az. B 1 KR 19/21 R, Rn. 32 ff. juris.
[23]BSG, Urteil vom 22. Juni 2022, Az. B 1 KR 19/21 R, Rn. 37 f. juris.
[24] BSG, Urteil vom 22. Juni 2022, Az. B 1 KR 19/21 R, Rn. 39 juris.
[25] Hier ist nicht der Ort, die Lesart des § 275c SGB V zu hinterfragen; jedenfalls die von der Norm gewünschte Entlastung der Sozialgerichte (hierzu Deister/Felix, KrV 2022, 139) würde weitaus besser erreicht, wenn die Krankenkasse mit ihren Einwänden vollumfänglich ausgeschlossen wäre, wenn sie das Prüfverfahren versäumt.
[26] BSG, Urteil vom 22. Juni 2022, Az. B 1 KR 19/21 R, Rn. 11 juris.
[27] BSG, Urteil vom 22. Juni 2022, Az. B 1 KR 19/21 R, Rn. 12 m.w.N.
[28] BSG, Urteil vom 22. Juni 2022, Az. B 1 KR 19/21 R, Rn. 13 m.w.N.
[29] Heute ist § 275c SGB V maßgeblich.
[30] BSG, Urteil vom 22. Juni 2022, Az. B 1 KR 19/21 R, Rn. 15.
[31] BSG, Urteil vom 11. April 2002, Az. B 3 KR 24/01 R, juris.
[32] BSG, Urteil vom 11. April 2002, Az. B 3 KR 24/01 R, Rn. 24 juris.
[33] BSG, Urteil vom 22.6.2022, Az. B 1 KR 19/21 R, Rn. 15 a.E. juris.
[34] Abweichungen von der Dogmatik des Allgemeinen Verwaltungsrechts sind beim Bundessozialgericht im Übrigen keine Seltenheit (zum überraschenden Umgang mit dem fiktiven Verwaltungsakt vgl. insoweit Felix, SGb 2020, 517).
[35] BSG, Urteil vom 22. Juni 2022, Az. B 1 KR 19/21 R, Rn. 16 juris.
[36] Hierzu sogleich unter IV.
[37] Vgl. nur Felix, MedR 2021, 7.
[38] Kritisch zum Versuch einer Verkoppelung mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V Felix, MedR 2021, 7, 11.
[39] Hierzu Deister/Felix, KrV 2022, 139.
[40] BSG, Urteil vom 11. April 2002, Az. B 3 KR 24/01 R, Rn. 15 a.E. juris.
[41] Wahl, in: JurisPK-SGB V, Stand 2.3.2021, § 39, Rn. 90 m.w.N. Zur „zeitlich vorrangigen Stellung“ des Krankenhausarztes BSG, Urteil vom 11. April 2002, Az. B 3 KR 24/01 R, Rn. 12 juris.
[42] BSG, Urteil vom 11. April 2002, Az. B 3 KR 24/01 R, Rn. 12 juris.
[43] Der 1. Senat erörtert das in Rn. 11 sehr knapp (Urteil vom 11. April 2002, Az. B 3 KR 24/01 R).
[44] §§ 37 und 39 SGB X.
[45] Dass der Leistungserbringer an hoheitlich ergangene Entscheidungen gegenüber dem Versicherten nicht gebunden sein kann, hat das BSG in seinem Urteil vom 17. Mai 2000 (Az. B 3 KR 33/99 R) daher zu Recht betont (Rn. 16 juris).
[46] Ausführlich hierzu Dörich, § 12 Abs. 2 SGB X – Waisenkind des SGB X? Eine rechtswissenschaftliche und rechtstatsächliche Analyse der Bedeutung der sozialverwaltungsrechtlichen Hinzuziehung von Drittbetroffenen, 2022, im Erscheinen.
[47] Ob eine Bekanntgabe an einen Nichtbeteiligten überhaupt zulässig wäre, muss hier nicht entschieden werden.
[48] Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 20. Aufl. 2020, § 10, Anm. 3 e).
[49] BSG, Urteil vom 11. Juni 2022, Az. B 1 KR 19/21 R, Rn. 12 a.E. juris.
[50] BSG, Urteil vom 11. April 2002, Az. B 1 KR 19/21 R, Rn. 12 a.E. juris.
[51] So ausdrücklich BSG, Urteil vom 11. April 2002, Az. B 1 KR 19/21 R, Rn. 16 a.E. juris.
[52] Hierzu Spellbrink, in: beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand 1.7.2020, Vorbemerkungen zu den §§ 13 -15 SGB I, Rn. 2.
[53] Felix, in: Kahl/Ludwigs, Handbuch des Verwaltungsrechts, Band IV, 2022, § 107 Rn. 11.
[54] Vor diesem Hintergrund erklärt sich die Regelung des § 630c Abs. 3 BGB (hierzu Spickhoff, in: Spickhoff, Medizinrecht, 4. Aufl. 2022, § 630c BGB Rn. 33).
[55] Vgl. auch BSG, Urteil vom 11. April 2002, Az. B 3 KR 24/01 R, juris.
[56] So LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27. April 2021 – L 11 KR 3323/19, Rn. 25 juris.
[57] Ausführlich BSG, Urteil vom 20. März 2013 – Az. B 6 KA 27/12 R, Rn. 28 juris m.w.N. Vgl. auch BSG, Urteil vom 31. Mai 2006, Az. B 6 KA 53/05 B, Rn. 13 juris.
[58] BSG, Urteil vom 20. März 2013 – Az. B 6 KA 27/12 R, Rn. 28 juris.
[59] Etwas konstruiert erscheint es aus, in der Bewilligungsentscheidung zugunsten des Versicherten zugleich die Kostenübernahmeerklärung zugunsten des Krankenhauses zu sehen (vgl. etwa BSG, Urteil vom 17. Mai 2000, Az. B 3 KR 33/99 R, Rn. 20 juris).
[60] Wie schwierig allerdings der Umgang mit einem woraus auch immer abzuleitenden „Vertrauensschutz“ des Leistungserbringers ist, zeigen die Ausführungen des BSG in seiner Entscheidung vom 20. März 2012 (Az. B 6 KA 27/12 R, juris). Hier legt der 6. Senat über rund 15 Randnummern hinweg dar, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit der Vertragsarzt überhaupt vertrauen darf. In der Sache geht es hier zwar um die Bewertung nur mündlicher Auskünfte von Krankenkassenmitarbeitern; letztlich dürfte der Arzt aber auch bei schriftlicher Äußerung keinesfalls immer „sicher“ sein können, dass die Kasse „insbesondere die Voraussetzungen für die Genehmigung fundiert geprüft hat“ (aaO., Rn. 37 juris).
[61] So das BS in ständiger Rechtsprechung, vgl. nur Urteil vom 9. Dezember 1987, Az. 8 RK 10/87, Rn. 17 juris.
[62] Hierzu auch Wahl, in: jurisPK-SGB V, Stand 2.3.2021, § 39, Rn. 169 m.w.N.
[63] Wahl, in: jurisPK-SGB V, Stand 6.5.2022, § 109 Rn. 183. Insofern besteht auch kein Bedarf, einen Schadensersatzanspruch des Leistungserbringers über § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB zu konstruieren.
[64] Aufgrund des Gleichordnungsverhältnisses handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt.
[65] Ausführlich Wahl, in: jurisPK-SGB V. Stand 6.5.2022, § 109 Rn. 185 m.w.N.
[66] Hierzu Scholz, in: Becker/Kingreen, SGB V, 8. Aufl. 2022, § 2 Rn.10 m.w.N. Vgl. auch § 18 SGB V.
[67] Hierzu oben C.II.
[68] Was genau insoweit der Vorteil für das Krankenhaus ist, erschließt sich nur mittelbar – das Prüfungsverfahren kann dann von der Krankenkasse auch später noch durchgeführt werden.
[69] Ebenso Bockholdt, in: Hauck/Noftz, Stand November 2021, § 109 SGB V Rn. 184.
[70] Ob eine Erörterung des Falles, die gemäß 17c Abs. 2b KHG Zulässigkeitsvoraussetzung für eine sozialgerichtliche Klage ist, bei Versäumung der Fristen überhaupt noch möglich ist, muss hier nicht entschieden werden (hierzu Knispel, jurisPR-SozR 24/2022 Anm. 3 unter C.).
[71] Dabei darf allerdings nie verkannt werden, dass eine Leistungsablehnung gegenüber dem Versicherten auch schlicht falsch sein kann und nach § 44 SGB X zu korrigieren wäre (hierzu der 1. Senat selbst in BSG, Urteil vom 22. Juni 2022, Az. B 1 KR 19/21 R, 16 juris).
[72] Das entsprechende Wissen könnte – wenn tatsächlich kein Leistungsanspruch nach dem SGB V besteht – allerdings Konsequenzen für den Vergütungsanspruch gegen den Versicherten selbst haben: Zwar dürfte regelmäßig § 630c Abs. 4 BGB einschlägig sein, wenn der Arzt vom Patienten von der Ablehnung der Krankenkasse erfährt (so BGH, Urteil vom 28. Januar 2020, Az. VI ZR 92/19, Rn. 20 juris); der Patient kann dem Kostenanspruch des Arztes bei fehlender Aufklärung aber grundsätzlich einen Schadensersatzanspruch entgegenhalten (vgl. BGH, Urteil vom 9. Mai 2000, Az.VI ZR 173/99, Rn. 33 juris).
[73] Insofern muss es sich eine Verkürzung seiner Rechte gerade nicht „gefallen lassen“ (so aber Knispel, jurisPR-SozR 24/22 Anm. 3, der die Sichtweise des 1. Senats unter C. als „sachgerecht“ bezeichnet). Vgl. auch schon Knispel, jurisPR-SozR 6/2022 Anm. 2, wo der Verfasser bei Kenntnis von der Leistungsablehnung in Erwägung zieht, diese Entscheidung auf den Vergütungsanspruch „durchschlagen“ zu lassen.
[74] Die Vorlage der elektronischen Gesundheitskarte ersetzt insoweit im Regelfall die eigentliche Antragstellung (hierzu Freudenberg, in: jurisPK-SGB V, Stand 15.6.2020, § 15, Rn. 40 ff.) Vgl. auch LSG für das Land Brandenburg, Urteil vom 9. Juli 2002, Az. L 4 KR 9/01, juris mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des BSG (Rn.43 ff). Vgl auch Neumann, SGb 2006, 2.
[75] Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch der in der Rechtsprechung des BSG immer wieder anzutreffende Satz, wonach der Vergütungsanspruch bei Krankenhausbehandlung und damit korrespondierend die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar kraft Gesetzes mit der Inanspruchnahme der Leistung entstehen (vgl. etwa BSG, Urteil vom 14. Oktober 2014, Az. B 1 KR 26/13 R, Rn. 8 juris).
[76] BSG, Urteil vom 22. Juni 2022, Az. B 1 KR 19/21 R, Rn. 12 juris.
[77] Vgl. zur „Gutgläubigkeit“ im Rahmen von § 13 Abs. 3a SGB V SGB V etwa BSG, Urteil vom 26. Mai 2020, Az. B 1 KR 9/18 R.
[78] Vgl. insoweit § 45 Abs. 2 S. 3 SGB X (Schütze, in: Schütze, SGB X, 9. Aufl. 2020, § 45 Rn. 53 ff.).
[79] Zur unzulässigen Rechtsfortbildung Felix, NZS 2019, 646.
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