Der Autor ist Partner in der Anwaltskanzlei Rechtsanwälte Wigge und hat die auf das Medizinrecht spezialisierte Kanzlei im Jahr 2001 gegründet. Er ist weiterhin als Honorarprofessor an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität zu Münster für Medizin- und Gesundheitsrecht tätig.
Der Autor ist Rechtsanwalt und seit 2020 als Rechtsanwalt bei der Rechtsanwaltskanzlei Rechtsanwälte Wigge – Beratung im Medizinrecht tätig.
Abstract: Dieser Beitrag setzt sich mit dem seitens der Bundesländer Bayern, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein erarbeiteten Antrag auf Entschließung des Bundesrates „Schaffung eines MVZ-Regulierungsgesetzes“ vom 10.05.2023 [a1] und dem Positionspapier der Bundesärztekammer vom 09.01.2023 zum Regelungsbedarf für Medizinische Versorgungszentren zur Begrenzung der MVZ-Übernahme durch fachfremde Finanzinvestoren und zur Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen und umfassenden ambulanten Versorgung [a2] auseinander.[a3] Dabei werden die besonders eingriffsintensiven der sich aktuell in der gesundheitspolitischen Diskussion befindlichen Regulierungsvorschläge zu der Einschränkung des Betriebs von Medizinischen Versorgungszentren durch zugelassene Krankenhäuser gem. §§ 107, 108 SGB V erörtert und in Kürze einer rechtlichen Bewertung zugeführt.
Die Einführung des Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) in die vertragsärztliche Versorgung durch das Gesundheitsmodernisierungsgesetz (GMG)[1] vom 01.01.2004 bedeutete einen Paradigmenwechsel in der Struktur der ambulanten Versorgung. Seitdem wird die vertragsärztliche Versorgung nach den §§ 72 ff. SGB V nicht mehr ausschließlich durch selbstständig tätige niedergelassene Vertragsärzte, ermächtigte Ärzte und ermächtigte Einrichtungen, wie insbesondere die Hochschul- und Institutsambulanzen von Krankenhäusern nach den §§ 117 ff. SGB V, sondern nunmehr auch durch eigenständige Rechtsträger sichergestellt, die durch gründungsberechtigte Leistungserbringer betrieben werden können. Auf diese Weise soll insbesondere eine Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen zur Überwindung sektoraler Grenzen in der medizinischen Versorgung erfolgen.[2]
Die alltägliche Praxis belegt, dass sich neben Vertragsärzten insbesondere Krankenhäuser für diese Versorgungsform geöffnet haben. Denn MVZ bieten für Krankenhäuser eine attraktive Möglichkeit, sich einen regulären Zugang zur vertragsärztlichen Versorgung und damit zum ambulanten Gesundheitsmarkt zu verschaffen. Die Anzahl der MVZ insgesamt und auch die Anzahl der MVZ, bei denen ein Krankenhaus als Gründer beteiligt ist, steigen stetig.[3]
Das gesetzgeberische Ziel der Überwindung der Sektorengrenzen[4], welches mit der Einführung von MVZ 2004 durch das GMG ausdrücklich verfolgt wurde[5], wurde vom Gesetzgeber bislang nicht erreicht und wird daher weiterhin forciert[6]. Dennoch wurden in der Vergangenheit bereits mehrfach Einschränkungen in den Gründungs- und Betriebsvoraussetzungen von MVZ im Vergleich zu der ursprünglichen Ausgestaltung in § 95 SGB V vorgenommen, um zu verhindern, dass MVZ von „Investoren gegründet werden, die keinen fachlichen Bezug zur medizinischen Versorgung haben, sondern allein Kapitalinteressen verfolgen“[7]. In den MVZ, die von solchen Investoren gegründet werden, bestehe die Gefahr, dass medizinische Entscheidungen von Kapitalinteressen beeinflusst würden.[8] Des Weiteren hat der Bundesminister für Gesundheit namens des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) Ende des vergangenen Jahres angekündigt, dass das BMG den Kauf von Arztpraxen durch Finanzinvestoren künftig verhindern wolle.[9]
Auf Grund des Beschlusses der 96. GMK vom 10.05.2023 wurde durch die Bundesländer Bayern, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein ein Antrag auf Entschließung des Bundesrates, welcher inhaltlich auf dem „Eckpunktepapier zur Regulierung von MVZ“ der von der Sonder-Amtschefkonferenz eingesetzten länderoffenen Arbeitsgruppe basiert, für die Bundesländer in den Bundesrat eingebracht.[10] Der Antrag auf Entschließung „Schaffung eines MVZ-Regulierungsgesetzes“ enthält insgesamt neun Regulierungsmaßnahmen insbesondere gegenüber MVZ, die von Krankenhäusern gegründet werden.[11]Der Bundesrat hat in seiner 1034. Sitzung am 16.06.2023 die Entschließung „Schaffung eines MVZ-Regulierungsgesetzes“ gefasst.[12]
Darüber hinaus hat die Bundesärztekammer (BÄK) am 09.01.2023 ein Positionspapier zum Regelungsbedarf für Medizinische Versorgungszentren zur Begrenzung der MVZ-Übernahme durch fachfremde Finanzinvestoren und zur Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen und umfassenden ambulanten Versorgung veröffentlicht, welches eine Reihe von konkreten Regelungsvorschlägen zur Begrenzung der Gründung von MVZ enthält und das am 19.04.2023 ergänzt worden ist.[13]
Die sich aktuell in der gesundheitspolitischen Diskussion befindlichen Gesetzgebungsvorschläge des Bundesrates und der BÄK werden in diesem Beitrag dargestellt und einer rechtlichen Bewertung zugeführt
II. Zukünftige Beschränkungen von Krankenhäusern als Gründer von MVZ
Nachfolgend wird auf die für diesen Beitrag relevanten Regulierungsmaßnahmen gegenüber MVZ zukünftigen Beschränkungen von Krankenhäusern als Gründer von MVZ eingegangen, mit Hauptaugenmerk auf die besonders eingriffsintensiven Maßnahmen.
1. Räumliche Beschränkung von Krankenhaus-MVZ: Vorgabe eines „50-km-Radius“ als Einzugsbereich des Krankenhauses
Zu der Einführung eines sog. Regionalbezugs, der dazu führt, dass die MVZ-Gründungsbefugnis eines zugelassenen Krankenhauses von bestimmten regionalen Kriterien abhängt, wurde als neuester Vorschlag unter Ziffer 3 des Entschließungsantrages „in räumlicher Hinsicht […] eine Beschränkung auf die jeweiligen arztgruppenbezogenen Planungsbereiche, die ganz oder teilweise in einem Radius von 50 km zum Sitz des Krankenhauses entfernt liegen“ gefordert.
Mit der gewählten Formulierung bleibt offen, wie der 50 km Radius auszulegen ist. Konkret ist fraglich, ob beabsichtigt ist, dass sich alle Betriebsstätten eines MVZ im 50 km Radius um den Sitz des Krankenhauses befinden müssen oder tatsächlich zur Gründung eines MVZ in einem Planungsbereich nur relevant ist, dass der Planungsbereich, in dem das MVZ seine (Haupt-) Betriebsstätte bzw. Vertragsarztsitz hat ganz oder teilweise in dem genannten Radius um den Sitz des Krankenhauses liegt. Je nach zutreffender Auslegung, werden sich Krankenhaus-MVZ entweder auf den urbanen Raum konzentrieren oder es ergeben sich – angesichts der unterschiedlichen Planungsbereiche bei einem fachübergreifenden MVZ – erhebliche praktische Vollzugsschwierigkeiten.
Im Sinne eines Gedankenspiels ist z.B. auf ein MVZ zu verweisen, in dem Ärzte der Versorgungsebene der haus- und spezialisierten fachärztlichen Versorgung i.S.v. § 5 Abs. 1 Bedarfsplanungs-Richtlinie (BedarfsplRL) tätig werden sollen. Welcher Planungsbereich ist dann bezogen auf den o.g. Radius und die Hauptbetriebsstätte des MVZ maßgeblich? Konsequenterweise müsste die Hauptbetriebsstätte des MVZ auch außerhalb des 50 km Radius liegen, da der Planungsbereich der spezialisierten fachärztlichen Versorgung diesen angesichts der einschlägigen Raumordnungsregion gem. § 13 Abs. 3 S. 1 BedarfsplRL überschreiten kann. Gilt dies dann aber auch für die vertretenen Ärzte der Versorgungsebene der hausärztlichen Versorgung? Je nach Beantwortung hebelt sich der Regionalbezug entweder selbst aus oder es wird für Krankenhaus-MVZ durch die Hintertür das fachgleiche MVZ wieder eingeführt.
Zudem bleibt offen, was unter dem Sitz des Krankenhauses im Sinne des Antrages auf Entschließung zu verstehen ist. In Betracht kommt der Satzungssitz, der Verwaltungssitz, die Geschäftsanschrift des Krankenhausträgers oder der Krankenhausstandort gemäß § 2a KHG. Bei einem derart offenen Wortlaut im Gesetz wären Vollzugshindernisse vorprogrammiert.
Ungeachtet dessen ist zu bezweifeln, dass ein solcher Regionalbezug zur Sicherstellung der Qualität der Versorgung in tatsächlicher Hinsicht überhaupt erforderlich ist.
Außerdem wird ein derartiger Regionalbezug die Monopolisierung bei MVZ-Strukturen nur noch befeuern. Die Einführung eines Regionalbezugs würde erst die optimalen Markt- und Rahmenbedingungen schaffen, damit die großen Krankenhauskonzerne bundesweit ein Monopol in der ambulanten Versorgung schaffen könnten[14], da die großen Krankenhauskonzerne angesichts der Vielzahl der Krankenhäuser eine Mehrzahl an MVZ gründen können. Krankenhausträger mit nur wenigen Krankenhäusern wären regional begrenzt, während die großen Krankenhauskonzerne sicher sein könnten, dass sich die kleineren Krankenhäuser nicht in „ihrem Gebiet breit machen“ und ein Wettbewerb kraft Regionalisierung durch den Gesetzgeber praktisch nicht mehr stattfindet.
Weiterhin ist festzustellen, dass der Regionalisierungsvorschlag Vertragsärzte und die Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen nicht treffen soll. Warum eine Überörtlichkeit und Monopolisierung nur bei Krankenhäusern als Gefahr angesehen wird[15], wurde bisher weder von den Bundesländern, der Bundesregierung, noch vom BMG hinterfragt und diskutiert. Die Vermutung liegt nahe, dass durch die Vorschläge (zumindest auch) die Markteintrittsbarriere für Investoren im Gesundheitswesen soweit erhöht werden sollen, dass sich der Erwerb eines zugelassenen Krankenhauses und damit der Markteintritt insgesamt letzten Endes nicht mehr rechnet.
Es ist zu erwarten, dass eine Regionalisierung von Krankenhaus-MVZ je nach Arztdichte in der jeweiligen Region zu uneinheitlichen Folgen führen wird. Insbesondere in Regionen mit geringer Arztdichte wird eine undifferenzierte Regionalisierung die Versorgung eher verschlechtern als verbessern. Zudem stellt sich die Frage, ob eine Regionalisierung der Medizin in Zeiten der Personalknappheit, der Spezialisierung und Zentralisierung zur Sicherung der Versorgung tatsächlich der richtige Weg ist.
Zusammenfassend ist die vorgesehene räumliche Beschränkung dementsprechend in erheblichen Umfang zu kritisieren und daher abzulehnen.
2. Fachliche Beschränkung von Krankenhaus-MVZ
Die BÄK fordert neben der räumlichen Begrenzung sowohl in ihrem Positionspapier[16] als auch in der ergänzenden Stellungnahme[17] als weitere Voraussetzung für die Gründung eines Krankenhaus-MVZ die Einführung eines fachlichen Bezuges des Krankenhauses zum Versorgungsauftrag. Von den Bundesländern wird die Einführung eines solchen Fachbezuges weder in den „Eckpunkten für ein MVZ-Regulierungsgesetz“, noch in ihrem aktuellen Antrag auf Entschließung des Bundesrates gefordert.[18] Dies mag unter anderem mit einer solchen Regelung verbundenen Problemen zusammenhängen.
a. Festlegung von Fachgebieten im Rahmen der Krankenhausplanung
Der Versorgungsauftrag eines Plankrankenhauses ergibt sich nach § 8 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 KHEntgG aus den Festlegungen des Krankenhausplanes und dem Feststellungsbescheid. Der Krankenhausplan ist jedoch nicht geeignet, zweifelsfreie Vorgaben für die ärztliche Zusammensetzung eines MVZ zu machen, da die Festlegungen in den Krankenhausplänen der Länder aktuell nicht mehr nach allen Gebieten und Schwerpunkten (Teilgebieten) der WBO der Ärztekammern differenzieren.
Z.B. nach dem in Niedersachsen seit 2022 geltenden § 4 Abs. 3 Niedersächsisches Krankenhausgesetz (NKHG)[19] führt der Krankenhausplan die für eine bedarfsgerechte, leistungsfähige und wirtschaftliche Versorgung der Bevölkerung erforderlichen Krankenhäuser auf, gegliedert u.a. nach den „Fachrichtungen“ (ohne den in § 3 Abs. 3 Nds. KHG noch enthaltenen Klammerzusatz „Gebiete“).
Diese im Gegensatz zur früheren Rechtslage aufgegebene Bindung an die ärztliche WBO ermöglicht es aufgrund der dualen Behandlungskompetenz der betreffenden Fachärzte grundsätzlich die Trennung zwischen den unterschiedlichen Fachrichtungen aufzugeben.[20] Die Bindung an die Fachgebiete der ärztlichen WBO ist zulässig[21], rechtlich aber nicht zwingend geboten.[22]
Zudem verweisen die Landeskrankenhauspläne auf die WBO der Ärztekammern im Wege einer dynamischen Verweisung, d.h. in der jeweils geltenden Fassung, so dass sich Veränderungen der Gebiete in der WBO auch auf den Krankenhausplan auswirken.
Für die Einteilung der in einem MVZ tätigen Fachärzte gelten dagegen die Vorgaben der Bedarfsplanungs-Richtlinie des G-BA, die von der Einteilung der Gebiete und Facharztbezeichnungen in der WBO abweichen können.[23] Der Krankenhausplan enthält i.d.R. Feststellungen nur zu ärztlichen Fachgebieten bettenführender Abteilungen. Dies spiegelt aber nicht das mögliche Zulassungsspektrum von 22 Arztgruppen in der vertragsärztlichen Versorgung nach den §§ 11–14 BedarfsplRL wider.
Darüber hinaus würde durch eine ausnahmslose Beschränkung der Fachgebiete in einem MVZ auf diejenigen des Versorgungsauftrages des Krankenhauses dem Ziel einer interprofessionellen Zusammenarbeit in MVZ nicht mehr hinreichend Rechnung getragen. Auch das Krankenhaus ist berechtigt, Ärzte anderer Fachgebiete anzustellen, die mit dem Versorgungsauftrag in einem fachlichen Zusammenhang stehen.
b. Vergleich zum Fachbezug bei MVZ von nichtärztlichen Dialyseleistungserbringern
In § 95 Abs. 1a S. 2 SGB V hat der Gesetzgeber durch das TSVG die Notwendigkeit eines fachlichen Bezuges zu anderen mit der Dialysebehandlung im Zusammenhang stehenden Fachgruppen im Hinblick auf die Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen vorgesehen. Das bedeutet, dass in einem MVZ, dessen berechtigter Gründer ein nichtärztlicher Dialyseleistungserbringer gem. § 126 Abs. 3 SGB V ist, nicht ausschließlich Dialyseleistungen erbracht werden können, sondern eben auch die mit einer Dialyse zusammenhängenden ärztlichen Leistungen zur Behandlung von Grund- und Begleiterkrankungen[24].
Bei Einführung einer Beschränkung der Gründungsberechtigung von Krankenhäusern auf deren Fachgebiete, wäre die für nichtärztliche Dialyseleistungserbringer gefasste Regelung im Zuge der Gleichbehandlung auf zugelassene Krankenhäuser zu übertragen und eine entsprechende Regelung zur Erweiterung des notwendigen Fachbezuges auf die mit der Krankenhausbehandlung bzw. dort vertretenen Fachgruppen im Zusammenhang stehenden Fachgruppen zu fassen. Dann wäre für jedes in einem Krankenhaus vertretene ärztliche Fachgebiet im Rahmen der Zulassung des MVZ oder eines Gründerwechsels die Feststellung erforderlich, welche mit dem jeweiligen Fachgebiet zusammenhängende andere ärztliche Fachgebiete zu einer umfassenden fachübergreifenden Versorgung erforderlich sind. Eine solche Regelung wäre aufgrund des Umfangs der mit der Krankenhausbehandlung im Zusammenhang stehenden ärztlichen Fachgebiete allenfalls mit unverhältnismäßigem Aufwand rechtlich umsetzbar.
c. Praktische Hindernisse bei Einführung eines Fachbezuges
Des Weiteren müsste durch die Zulassungsausschüsse festgestellt werden, in welchem zahlenmäßigen Verhältnis die weiteren ärztlichen Fachgebiete zu den im MVZ zugelassenen Fachgebieten stehen dürfen.
Auch wäre zu klären, ob bei einem Ausscheiden eines angestellten Arztes mit Fachbezug zum Krankenhaus aus dem MVZ und einer fehlenden Möglichkeit der Nachbesetzung der Arztstelle, auch die Anstellungsverhältnisse der Ärzte, die zu dem Fachgebiet des ausgeschiedenen Facharztes einen fachlichen Bezug haben (Bsp.: Facharzt für Kinderheilkunde und Facharzt für Radiologie mit Schwerpunkt Kinderradiologe) beendet werden, mithin ob die Beschränkung der Gründungsbefugnis unmittelbar auf die Betriebsebene durchschlägt. Wäre dies der Fall, bestünde für die meisten MVZ keine Rechtssicherheit hinsichtlich ihrer Investitionen in der Zukunft.
d. Durchbrechung der Gründer- und Trägerebene
Grundsätzlich hat die Leistungserbringung im MVZ gerade unabhängig von derjenigen des Gründers zu erfolgen. Das MVZ ist bezogen auf zugelassene Krankenhäuser als eine Ergänzung der Versorgungsmöglichkeiten und nicht als ein – von den örtlichen Gegebenheiten abhängiger – Annex der Krankenhausbehandlung anzusehen. Die Forderung eines fachlichen Bezuges als Voraussetzung der Gründungsberechtigung von Krankenhäusern stellt daher eine unzulässige Vermischung zwischen Gründer- und Leistungserbringerebene von MVZ dar.
e. Ziel der Einführung eines Fachbezuges
Schließlich lässt sich auch die Frage aufwerfen, was das (legitime) gesetzgeberische Ziel der Einführung eines Fachbezugs ist.
Soll das Ziel die Sicherstellung der Qualität der vertragsärztlichen Versorgung sein, so ist dem entgegenzuhalten, dass es zum einen bei dem MVZ, dessen berechtigter Gründer ein Vertragsarzt ist, für die Zulassung des MVZ und die hierin vertretenen Fachgebiete nicht von Relevanz ist, welcher Arztgruppe der BedarfsplRL für Ärzte der Vertragsarzt als berechtigter Gründer zuzuordnen ist. Des Weiteren ist die Anstellung eines Arztes eines anderen Fachgebietes – unabhängig von der Kooperationsform – in der vertragsärztlichen Versorgung grundsätzlich gemäß § 14a Abs. 2 S. 1 BMV-Ä zulässig (sog. fachgebietsfremde Anstellung). Warum für Krankenhäuser etwas anderes gelten solle, ist nicht nachvollziehbar. Würde ein derartiger Fachbezug eingeführt, würde eine bezogen auf alle berechtigten Gründer inkonsistente Regelung geschaffen.
Das verfassungsrechtlich fragwürdige gesetzgeberische Ziel der Einführung eines Fachbezuges kann also allenfalls sein, den Markteintritt von Krankenhaus-MVZ zu erschweren oder zurückzudrängen.
3. Festlegung von planungsbereichsbezogenen Versorgungshöchstgrenzen für Krankenhaus-MVZ
Ähnlich wie die durch das TSVG von 2019 eingeführte Regelung für zahnärztliche MVZ in § 95 Abs. 1b SGB V wird in dem Antrag auf Entschließung des Bundesrates[25] in Ziffer 4 und dem Positionspapier der BÄK[26]eine Regelung gefordert, wonach die Gründung eines ärztlichen MVZ für zugelassene Krankenhäuser auf bestimmte Versorgungsanteile im Planungsbereich und im KV-Bezirk begrenzt wird. Auch mit dieser Forderung wird der Entschließungsantrag seinem Zweck, dem Risiko von Konzentrationsprozessen entgegenzuwirken und bestimmte Versorgungsformen nicht zu diskriminieren, nicht gerecht.
a. Notwendigkeit der Ermittlung bezogen auf die konkrete Arztgruppe
Für den Fall der Einführung von Versorgungshöchstgrenzen für Krankenhaus-MVZ ist vom Gesetzgeber zu beachten, dass die Beurteilung der Versorgungshöchstgrenzen getrennt nach den in § 5 Abs. 1 BedarfsplRL vorgegebenen Versorgungsebenen und den ihnen nach § 6 BedarfsplRL zugeordneten Arztgruppen zu erfolgen hat. Dies würde zu einem erheblichen Aufwand bei den Zulassungsgremien führen. Denn im Gegensatz zu der zahnärztlichen Bedarfsplanung, die nach § 3 Abs. 1 S. 4 BedarfsplRL-ZÄ lediglich in zwei Planungsbereiche unterteilt ist, weist die vertragsärztliche Versorgung ein differenziertes System von Versorgungsebenen auf, dem unterschiedliche ärztliche Fachgruppen und Planungsbereiche zugeordnet sind. Insgesamt werden auf Basis der ärztlichen Bedarfsplanung 22 Arztgruppen in vier verschiedenen Versorgungsebenen zusammengefasst. Je nachdem, welche Arztgruppe in Rede steht, wird diese in räumlicher Hinsicht unterschiedlich weiträumig/kleinteilig beplant.
Eine einheitliche Festlegung einer Versorgungshöchstgrenze bezogen auf ein bestimmtes räumliches Gebiet ist mithin nicht möglich.
b. Außerachtlassung der gesonderten fachärztlichen Versorgung
Der Regelungsvorschlag in Ziffer 4 des Antrages auf Entschließung des Bundesrates nimmt eine getrennte Bedarfsermittlung für die Versorgungsebenen vor. Nach seinem Wortlaut bezieht er sich auf den „Planungsbereich bei Hausärzten“ und der „allgemeinen und speziellen fachärztlichen Versorgung“ (Hervorhebung nicht im Original). Ob mit der speziellen fachärztlichen Versorgung die spezialisierte fachärztliche Versorgung i.S.d. § 13 BedarfsplRL gemeint ist, bleibt aufgrund des offenen Wortlautes unklar, da weder Gesetzestext, noch die Begründung des Bundesrates ausdrücklich auf die BedarfsplRL Bezug nehmen.
Soweit man jedoch davon ausgeht, dass sich der Antrag auf Entschließung des Bundesrates hinsichtlich der Arztgruppen in der vertragsärztlichen Bedarfsplanung auf die hausärztliche Versorgung (§ 11 BedarfsplRL), die allgemeine fachärztliche Versorgung (§ 12 BedarfsplRL) und die spezialisierte fachärztliche Versorgung (§ 13 BedarfsplRL) bezieht, ist Folgendes festzustellen. Die Arztgruppen der gesonderten fachärztlichen Versorgung nach § 14 BedarfsplRL werden nicht genannt und sollen daher wohl von den Versorgungshöchstgrenzen in einem MVZ ausgenommen sein. Hierbei handelt es sich um kleinere Arztgruppen, für die nach § 14 Abs. 3 BedarfsplRL der Bezirk der KV der Planungsbereich ist.
Auch wenn damit nur drei der vier Versorgungsebenen nach der BedarfsplRL im Rahmen der allgemeinen Bedarfsermittlung für die Versorgungshöchstgrenzen Berücksichtigung finden, bestehen Zweifel, ob und wie für die unterschiedlichen Versorgungsebenen und die zahlreichen Arztgruppen seitens des Zulassungsausschusses und der KV die Ermittlung des jeweiligen Versorgungsgrades verwaltungstechnisch umsetzbar ist. Schließlich stellt sich die Frage, was der sachliche Grund dafür ist, dass die Versorgungshöchstgrenzen für die gesonderte fachärztliche Versorgung nach § 14 BedarfsplRL nicht gelten sollen.
c. Privilegierung von Krankenhausträgern mit vielen zugelassenen Krankenhäusern
Der Regelungsvorschlag zur Begrenzung des Versorgungsanteils von ärztlichen MVZ stellt zudem begrifflich auf den Träger ab.[27] Nach der Begründung zu Ziffer 4 des Entschließungsantrages könnten „in einem Planungsbereich daher mehrere Krankenhäuser MVZ betreiben, deren gemeinsamer Versorgungsanteil auch über diesen Höchstversorgungsanteilen liegt.“[28] Damit werde die Anbietervielfalt erhalten und garantiert. Die Begründung ist etwas unklar, meint aber wohl, dass unterschiedliche Krankenhausträger in einem Planungsbereich mehrere MVZ betreiben können, ohne dass dadurch die Höchstversorgungsanteile überschritten werden.
Dies ist zutreffend, führt allerdings gerade nicht dazu, dass die Anbietervielfalt im Krankenhausbereich erhalten bleibt. Bereits für die 10 %-Grenze im zahnärztlichen Bereich in § 95 Abs. 1b S. 1 SGB V wird in der Literatur, trotz der Verwendung des Begriffs des „Krankenhauses“, ebenfalls auf den Träger bezogen, so dass sich der zulässige Versorgungsanteil eines Trägers, der mehrere zugelassene Krankenhäuser im Planungsbereich betreibt, in diesem Verhältnis erhöht. Würde man diese Überlegung auf den Entschließungsantrag übertragen, hätte das für den Vorschlag der Höchstversorgungsanteile in der vertragsärztlichen Versorgung ebenfalls zur Folge, dass die Zahl der MVZ, die von großen Krankenhausträgern mit einer Vielzahl von Krankenhäusern gegründet werden können, durch die Neuregelung kaum beschränkt wird.[29]
Die Einführung von Höchstversorgungsanteilen für vertragsärztliche MVZ würde daher zu einer starken Ungleichbehandlung der Krankenhausträger hinsichtlich des Ausmaßes der Kontingentierung führen. Mit der Diskriminierung kleinerer Krankenhausträgergesellschaften geht eine Bevorzugung der großen (bundeweit tätigen) Krankenhausträgergesellschaften einher. Der Entschließungsantrag schafft demnach für die großen Krankenhausträgergesellschaften erst die regulativen Rahmenbedingungen dafür, um örtlich umrissene Monopole in den MVZ-Strukturen und damit in der vertragsärztlichen Versorgung zu bilden.
4. Streichung von Verzicht zu Gunsten der Anstellung in MVZ
Ziffer 5 des Antrages auf Entschließung des Bundesrates sieht eine „Streichung der Möglichkeit des Arztstellenerwerbs für MVZ im Wege des Zulassungsverzichts gem. § 103 Abs. 4a S. 1 SGB V“ vor. Diese Streichung ist aus mehreren Gründen nicht mit den Vorgaben des Verfassungsrechts und der Intention des Gesetzgebers vereinbar.
a. Veränderung des Wesens von MVZ
Das MVZ wird die gesetzliche Intention den Wettbewerb zwischen verschiedenen Versorgungsformen zu erhöhen, und damit einen Anreiz für qualitativ hochwertige und wirtschaftliche Leistungserbringung zu schaffen[30], nicht mehr erfüllen können. Dabei begründet nach Auffassung der Bundesregierung ein dynamischer Wettbewerbsprozess in der Gesundheitswirtschaft den Anreiz für eine qualitativ hochwertige und wirtschaftliche Leistungserbringung.[31] Durch die beabsichtigte Streichung des § 103 Abs. 4a S. 1 SGB V als wesentliches Werkzeug zum Wachsen und der Neugründung von MVZ als institutionalisierter Leistungserbringer wird sich das Wesen des MVZ erheblich verändern. Es ist zu erwarten, dass der Anteil von MVZ am deutschen Gesundheitsmarkt im Wesentlichen auf den Status quo „eingefroren“ wird, denn eine Neugründung wird angesichts der Zulassungsvoraussetzungen für ein MVZ[32] ohne den Verzicht zu Gunsten der Anstellung deutlich erschwert, obwohl die MVZ einen merklichen und wichtigen Beitrag im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung und der Sicherstellung derselben leisten.
b. Benachteiligung von MVZ im Vergleich zu Vertragsärzten
Die Streichung des § 103 Abs. 4a S. 1 SGB bei gleichzeitiger Beibehaltung des für Vertragsärzte geltenden § 103 Abs. 4b S. 1 SGB V führt außerdem zu einer Benachteiligung von MVZ gegenüber Vertragsärzten. Bei dem Verzicht zu Gunsten der Anstellung entfällt das Nachbesetzungsverfahren. Möchte ein abgabewilliger Vertragsarzt seine Arztpraxis wirtschaftlich verwerten und nicht ein zeitaufwändiges Nachbesetzungsverfahren durchlaufen, wird er sich für die einigermaßen rechtlich gesicherte Möglichkeit der wirtschaftlichen Verwertung auf andere Vertragsärzte bzw. BAG beschränken. Dies bedeutet im Umkehrschluss aber eine Diskriminierung von MVZ und eine Beschränkung deren Wachstumsmöglichkeiten, da sie als Vertragspartner mehr gemieden als bevorzugt werden.
Die mit der Streichung des § 103 Abs. 4a S. 1 SGB V einhergehende Notwendigkeit eines Nachbesetzungsverfahrens und die damit verbundene Benachteiligung von MVZ wird durch die Beibehaltung der Regelung des § 103 Abs. 4c S. 3 SGB V noch verschärft werden. Hiernach ist bei der Auswahl des Praxisnachfolgers durch den Zulassungsausschuss ein MVZ, bei dem die Mehrheit der Geschäftsanteile und der Stimmrechte nicht bei Ärzten liegt, die in dem MVZ als Vertragsärzte tätig sind, gegenüber den übrigen Bewerbern nachrangig zu berücksichtigen.
Indem die Regelung des § 103 Abs. 4a S. 1 SGB V gestrichen wird, wird die Möglichkeit der Erweiterung des MVZ in Kombination mit § 103 Abs. 4c S. 3 SGB V rechtlich so weit beschränkt werden, dass sich diese in der Praxis weitestgehend entwertet. Es ist zu befürchten, dass sich ein praxisabgabewilliger Vertragsarzt regelmäßig für einen anderen Vertragsarzt/BAG bzw. ein durch Vertragsärzte kontrolliertes MVZ entscheiden wird. § 103 Abs. 4c S. 3 SGB V stellt eine bereits bislang bestehende Schlechterstellung der MVZ dar, die nach dem Konzept der seinerzeitigen gesetzgeberischen Regelung durch die Regelung über den Zulassungsverzicht nach § 103 Abs. 4a S. 3 SGB V gleichsam ausgeglichen wird.[33]
Durch die Streichung der Regelung des § 103 Abs. 4a S. 1 SGB V bei gleichzeitiger Beibehaltung des § 103 Abs. 4b S. 1 SGB V werden MVZ als Kooperationsform selbst bzw. zu Vertragsärzten benachteiligt werden. Denn Vertragsärzte könnten im Zweifel immer noch zur Kooperationsform der (über-)örtlichen BAG gemäß § 33 Abs. 2 S. 1, 2 Ärzte-ZV „ausweichen“, um einen Verzicht zu Gunsten der Anstellung zu ermöglichen.
c. Verfassungsrechtliche Unzulässigkeit
Diese Ungleichbehandlung von MVZ und Vertragsärzten lässt sich im Lichte des Art. 3 Abs. 1 GG nicht rechtfertigen. Angesichts der unbekannten und fraglichen Risiken, die von MVZ ausgehen sollen, steht schon die verfassungsrechtliche Erforderlichkeit der Regelung in Frage. Es existieren eine Mehrzahl von milderen Mitteln, wie die Schaffung von Transparenz der Eigentümerstrukturen, die Stärkung der Stellung des ärztlichen Leiters, eine Freigabepflicht in Anlehnung an die kartellrechtliche Zusammenschlusskontrolle in den §§ 35 ff. GWB[34] oder die Schaffung eines Regelbeispiels zur Ablehnung der Genehmigung der Anstellung in § 103 Abs. 4a S. 1 HS 1 a.E. SGB V. Angesichts der erheblichen Auswirkungen, die die beabsichtigte Regelung haben wird, ist auch die Angemessenheit der Streichung des § 103 Abs. 4a S. 1 SGB V zweifelhaft.
Überdies genügt die Streichung des § 103 Abs. 4a S. 1 SGB V bei Beibehaltung des § 103 Abs. 4b S. 1 SGB V nicht den Vorgaben des BVerfG zur Folgerichtigkeit[35] von gesetzlichen Regelungen. Soll Zweck der Streichung des § 103 Abs. 4a S. 1 SGB V das Entgegenwirken von Konzentrationsprozessen im Gesundheitsmarkt sein[36], ist es nicht folgerichtig eben jenen Konzentrationsprozessen bei größeren überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaften ungehindert ihren Lauf zu lassen.
Seitens der MVZ-Trägergesellschaften bzw. der hieran beteiligten berechtigten Gründer ist insbesondere ein Eingriff in ihr Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG in den Blick zu nehmen. Die Intensität des Eingriffs nähert sich trotz Bestehens einer Berufsausübungsregelung einer Berufswahlregelung an. Nach der Intensität des Eingriffs einerseits und der unbekannten tatsächlichen Notwendigkeit andererseits ist abzulehnen, dass die Streichung des § 103 Abs. 4a S. 1 SGB V zur Verhinderung von Konzentrationsprozessen und Sicherstellung einer flächendeckenden sowie umfassenden Versorgung in einem angemessenen Verhältnis steht.
Die Einschränkung von MVZ auf der einen Seite hat aber auch eine Beeinträchtigung der Interessen von Praxisabgabewilligen auf der anderen Seite zur Folge, da sich Nachfolgepläne mit einem MVZ nur schwerer verwirklichen lassen werden und damit ein nicht unerheblicher Kreis von Interessenten an der Praxis eines abgabewilligen Arztes „wegbricht“. Seitens der Praxisabgebenden besteht damit ein Eingriff in ihre Rechte aus Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG, wobei die Intensität des Eingriffs im Vergleich zu MVZ-Trägergesellschaften und hieran beteiligten berechtigten Gründer deutlich gemindert ist. Es ist daher anzunehmen, dass ein Eingriff in deren Rechte verhältnismäßig ausgestaltet werden kann. Zur Sicherung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Art. 14 Abs. 1 GG ist jedoch – im Falle der Streichung des § 103 Abs. 4a S. 1 SGB V – eine Übergangsfrist von mindestens einem Jahr vorzusehen.
Zusammenfassend ist die Streichung des § 103 Abs. 4a S. 1 SGB V nicht mit den Vorgaben des Verfassungsrechts vereinbar.
5. Streichung der Möglichkeit der Konzeptbewerbung von MVZ
Unter Ziffer 6 des Entschließungsantrages wird des Weiteren die Streichung der Möglichkeit einer „Konzeptbewerbung“ für MVZ, das heißt die Bewerbung eines MVZ im Zulassungsverfahren ohne Benennung eines konkreten Arztes gemäß § 103 Abs. 4 S. 5 Nr. 9 SGB V, gefordert.
Diese Streichung ist zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung nicht erforderlich. Zwar kann die Streichung der Konzeptbewerbung grundsätzlich erwogen werden, falls man die Regelungen als zu umfangreich oder die Konzeptbewerbung als Fremdkörper im Zulassungsrecht ansieht. Dies ist jedoch nicht mit den vermeintlichen Konzentrationsprozessen durch MVZ und den hiermit vermuteten Risiken für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zu vermischen, sondern losgelöst hiervon zu diskutieren.
Nach der Begründung des Entschließungsantrages handele es sich bei der Konzeptbewerbung um ein gesetzliches Auswahlkriterium, auf das ausschließlich MVZ, nicht hingegen auch die übrigen vertragsärztlichen Leistungserbringer, die Bewerbung im Nachbesetzungsverfahren allein stützen können. Dies ist ausweislich des ausdrücklichen Wortlauts des Gesetzes schlicht unzutreffend. Die angeführte Rechtsauffassung mag bis zum Inkrafttreten des TSVG noch zutreffend gewesen sein. Mittlerweile ist sie aber überholt. Nach § 103 Abs. 4 S. 5 Nr. 9 HS 2 SGB V gilt die Möglichkeit der Konzeptbewerbung nach § 103 Abs. 4 S. 5 Nr. 9 HS 1 SGB V für Vertragsärzte und BAG mit einem besonderen Versorgungsangebot entsprechend. Zudem steht das Kriterium des § 103 Abs. 4 S. 5 Nr. 9 SGB V gleichberechtigt neben den anderen Auswahlkriterien. Eine Berücksichtigung „anstelle“ – entsprechend des Wortlauts in der bis zum Inkrafttreten des TSVG geltenden Fassung des § 103 Abs. 4 S. 10 SGB V – ist in § 103 Abs. 4 S. 5 Nr. 9 SGB V nicht enthalten. Nach der Konzeption des Gesetzgebers können sich auch Vertragsärzte und BAG im Rahmen einer Konzeptbewerbung im Nachbesetzungsverfahren bewerben.[37]
Der Entschließungsantrag stützt seine Begründung des Weiteren auf die Aussage, dass ein MVZ mit dem Zuschlag für ein bloßes Versorgungskonzept eine „arztlose Anstellungsgenehmigung“ erhalten würde, was weder im Gesetz noch in den Zulassungsverordnungen vorgesehen sei, und sich mit Scheinkonzepten bewerben könnten. Diese Gefahr der Durchsetzung von Scheinkonzepten, welche später nicht umgesetzt werden können, besteht aber nicht, weil der Gesetzgeber angesichts des multipolar geprägten Auswahlverfahrens zunächst gesetzliche Regelungen zur näheren Ausgestaltung und Konturierung des Instituts der Konzeptbewerbung normieren muss, bis die Zulassungsgremien über eine arztlose Anstellungsgenehmigung als Status eigener Art entscheiden können.[38]
IV. Zusammenfassende Bewertung der Regelungsvorschläge
Die beabsichtigten Regelungen zur Beschränkung von Krankenhaus-MVZ werden an Art. 14 Abs. 1, 12 Abs. 1, 2 Abs. 1 und 3 Abs. 1 GG zu messen sein. Hierbei sind als Grundrechtsbetroffene die Krankenhausträger, MVZ-Trägergesellschaften, Praxis abgabewillige Vertragsärzte, die in den MVZ tätigen angestellten Ärzte und die zu behandelnden Patienten in den Blick zu nehmen.
Trotz der langjährigen Teilnahme von MVZ an der vertragsärztlichen Versorgung und wiederholten Anfragen von Bundestagsfraktionen[39] liegen der Bundesregierung keine empirisch belegbaren Daten vor, ob MVZ eine Gefahr für die Sicherheit und Qualität der Versorgung darstellen und damit die mit den Beschränkungen verbundenen Eingriffe in die Grundrechte der Beteiligten gerechtfertigt werden könnten.
Soweit in dem Antrag auf Entschließung des Bundesrates die Rede davon ist, dass die Vorschläge nicht auf „eine Diskriminierung bestimmter Versorgungsformen“ hinauslaufen, ist genau dies zu konstatieren. Gerade an der Forderung in Ziffer 5 des Entschließungsantrages bzgl. der Streichung der Regelung des Verzichts zugunsten einer Anstellung in § 103 Abs. 4a S. 1 SGB V wird deutlich, dass hinter dem angeblichen Ziel des Bundesrates einer Beschränkung von investorengetragenen MVZ tatsächlich ein vollständiger Ausschluss der Gründungsmöglichkeiten von MVZ durch zugelassene Krankenhäuser steht.
Letztendlich führt die Gesamtheit der in dem Antrag auf Entschließung der Bundesländer Bayern, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein an den Bundesrat vom 10.05.2023 und in dem Positionspapier der Bundesärztekammer vom 09.03.2023 aufgestellten Forderungen zur Begrenzung von MVZ zu einer unverhältnismäßigen und einseitigen Einschränkung der Gründungsberechtigung für Krankenhäuser, die einem gesetzlichen Verbot gleichkommt.
Dieser Beitrag fasst ein Rechtsgutachten der Kanzlei Rechtsanwälte Wigge zusammen, welches im Volltext hier abrufbar ist. Das Gutachten wird bei den 22. Berliner Gesprächen zum Gesundheitswesen vorgestellt.
[a2] „Positionen der Bundesärztekammer zum Regelungsbedarf für Medizinische Versorgungszentren zur Begrenzung der Übernahme von MVZ durch fachfremde Finanzinvestoren und zur Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen und umfassenden ambulanten Versorgung“, abrufbar unter: https://www.bundesaerztekammer.de/themen/aerzte/gesundheitsversorgung/mvz.
[a3] Der Beitrag fasst die wesentlichen Ergebnisse und Kernaussagen der „Rechtsgutachtlichen Stellungnahme zu Einschränkungen der Gründungsbefugnis von Krankenhaus-MVZ“ der Kanzlei Rechtsanwälte Wigge vom 22.08.2023 für die oyora GmbH, mit Sitz in Berlin, geschäftsansässig Fasanenstr. 38, 10719 Berlin, zusammen.
[1] Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz – GMG) vom 14.11.2003, BGBl. I S. 2190.
[3] KBV, Entwicklungen der Medizinischen Versorgungszentren und Medizinische Versorgungszentren aktuell, statische Informationen zum Stichtag 31.12.2021, abrufbar unter: https://www.kbv.de/media/sp/mvz-aktuell.pdf.
[4] Vgl. bereits den Endbericht der Enquete-Kommission „Strukturreform der gesetzlichen Krankenversicherung“, vom 12.02.1990, BT-Drs. 11/6380, S. 112; Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, 2008, S. 18; ders. GesR 2003, 130.
[5] Vgl. BSG, Urt. v. 16.5.2018, Az.: B 6 KA 1/17 R –, Rn. 33 f. juris; hierzu Ladurner/Walter/Jochimsen, Stand und Weiterentwicklung der gesetzlichen Regelungen zu medizinischen Versorgungszentren (MVZ) 2020, S. 93; Wigge, MedR 2004, S. 123 f.; Wigge/von Leoprechting, Handbuch Medizinische Versorgungszentren, 2011, S. 100; Behnsen, das Krankenhaus 2004, S. 698, 701.
[6] Vgl. Koalitionsvertrag 2021 – 2025 zwischen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP, S. 77 („Die ambulante Bedarfs- und stationäre Krankenhausplanung entwickeln wir gemeinsam mit den Ländern zu einer sektorenübergreifenden Versorgungsplanung weiter.“)
[7] Gesetzentwurf zum GKV-VStG vom 05.09.2011, BT-Drs. 17/6906, S. 115.
[8] Gesetzentwurf zum GKV-VStG vom 05.09.2011, BT-Drs. 17/6906, S. 115; Gesetzentwurf zum TVSG vom 07.12.2018, BT-Drs. 19/6337, S. 116: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zum TSVG vom 13.03.2019, BT-Drs. 19/8351, S. 187.
[9]Lauterbach, in: Bild am Sonntag vom 24.12.2022.
[10] Entschließungsantrag vom 10.05.2023, BR-Drs. 211/23, S. 2.
[31] Vgl. Begründung zum Entwurf des GKV-WSG, BT-Drucks. 16/3100, S. 2 f. und BT-Drucks. 20/4778, S. 7.
[32] U.a. insbesondere zwei Ärzte bei insgesamt einem vollen Versorgungsauftrag, vgl. hierzu: Ladurner, Ärzte-ZV/Zahnärzte-ZV, 2017, § 95 SGB V, Rn. 48 m.w.N.
[33]Burgi, Rechtswissenschaftliches Gutachten, S. 61.
[38] BSG, Urteil vom 15.05.2019, Az.: B 6 KA 5/18 R; Vgl. SG München, Urteil vom 30.01.2020, Az.: S 43 KA 38/19 – Umdruck S. 4 f.
[39] Vgl. bspw. die Kleine Anfrage der SPD vom 01.10.2010, BT-Drs. 17/2932, S. 2 ff.; Kleine Anfrage der Grünen vom 12.12.2011, BT-Drs. 17/7905, S. 2; Kleine Anfrage der LINKEN vom 29.10.2018, BT-Drs. 19/4926; Kleine Anfrage der CDU/CSU vom 09.01.2023, BT-Drs. 20/4778, S. 2 ff.
Schreibe einen Kommentar